Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens
Gang umgebracht.«
»Und haben Sie?«, fragte ich Luu.
»Selbstverständlich. Aber das war gerechtfertigt. Wir befanden uns in einem Krieg. « Er brach ab und schaute mich an.
»Und jetzt sind Sie hier im Hochsicherheitsgefängnis. Haben Sie schon das Datum für die Hinrichtung bekommen?«
»Nein. Das finde ich sehr komisch. Ihr Land hat Angst, verurteilte Mörder hinzurichten.«
»Das ist komisch? Wegen der Dinge, die Sie in Vietnam gesehen haben?«
»Selbstverständlich. Das ist mein Bezugssystem.«
»Gräueltaten, begangen im Namen militärischer Aktivitäten.«
»Es war Krieg, Detective.«
»Kannten Sie diese Männer in Vietnam: Ellis Cooper, Reece Tate, James Etra, Robert Bennett, Laurence Houston?«
Luu zuckte mit den Schultern. »Das ist alles so lange her.
Über dreißig Jahre. Und es gab so viele amerikanische Nachnamen, wie soll man sich an die alle erinnern?«
»Colonel Owen Handler?«
»Den kenne ich nicht.«
Ich schüttelte den Kopf. »O doch, Sie kennen ihn. Colonel Handler leitete die MACV Recondo School, als man sie dort zum Kundschafter ausgebildet hat.«
Zum ersten Mal lächelte Luu. »Sie können es mir glauben oder auch nicht, Detective Cross, die Kundschafter haben den Leiter für gewöhnlich nicht kennen gelernt.«
»Aber Sie haben Colonel Handler getroffen. Er hat sich an Sie an dem Tag erinnert, als er erschossen wurde. Können Sie mir helfen, diese Morde zu stoppen?«, fragte ich Luu. »Sie wissen, was da drüben passiert ist, nicht wahr? Warum haben Sie eingewilligt, mit mir zu sprechen?«
Wieder zuckte er die Schultern. »Ich habe eingewilligt, weil … mein guter Freund mich darum gebeten hat. Mein Freund Kyle Craig.«
73
Ich spürte einen Eisklumpen, dort, wo eigentlich mein Herz sein sollte. Das konnte doch nicht alles zu Kyle Craig führen!
Ich hatte ihn hier nach Florence gebracht, wegen all der Morde, die er begangen hatte – und jetzt hatte er es irgendwie geschafft, das ich ihn hier besuchte.
»Hallo, Alex. Ich dachte schon, du hättest mich vollkommen vergessen«, sagte Kyle, als er mich sah. Wir trafen uns in einem kleinen Raum in der Nähe seines Zellenblocks. Mein Kopf war voll paranoider Gedanken über den »Zufall«, ihn wiederzusehen. Er konnte das nicht manipuliert haben. Nicht einmal er schaffte das.
Kyle hatte sich körperlich verändert, so sehr, dass er jetzt einem seiner älteren Brüder oder vielleicht seinem Vater mehr ähnelte als sich selbst. Als ich ihn verfolgt hatte, hatte ich Kyles Familie kennen gelernt. Er war immer schon hager gewesen, aber im Gefängnis hatte er fast zehn Kilo verloren. Sein Kopf war kahl rasiert, an einer Seite hatte er eine Tätowierung: teils Schlange, teils Drache. Jetzt sah er tatsächlich wie ein Killer aus.
»Setz dich, Alex. Ich habe dich mehr vermisst, als ich gedacht hätte. Bitte, setz dich. Lass uns reden, alles auf den neuesten Stand bringen.«
»Danke, ich stehe lieber. Ich bin nicht hergekommen, um mit dir zu plaudern, Kyle. Was weißt du über diese Morde?«
»Alle wurden von der Polizei oder der Armee gelöst , Alex.
Die Schuldigen wurden angeklagt und in einigen Fällen hingerichtet. So wie ich irgendwann. Warum verschwendest du deine Zeit damit? Ich bin hundertmal interessanter. Du solltest mich studieren.«
Er sprach betont gedämpft, aber seine Worte schossen durch mich wie elektrischer Strom. War Kyle die verfluchte Verbindung, die uns fehlte? Er konnte nicht hinter den Morden stecken. Sie hatten lange vor seiner Festnahme begonnen. Aber spielte das wirklich eine Rolle?
»Also, du weißt nichts, was mir helfen könnte? Dann gehe ich. Genieße dein Leben.«
Kyle hob die Hand. »Ich würde dir gern helfen, Alex. Das meine ich ernst. Wie in den guten alten Zeiten. Das vermisse ich. Die Jagd. Was wäre, wenn ich doch helfen könnte?«
»Wenn du kannst, tu es, Kyle. Und zwar jetzt. Danach sehen wir weiter.«
Kyle lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Schließlich lächelte er – oder lachte er mich aus? »Nun, da du nicht gefragt hast …
Hier im Gefängnis ist es besser, als ich befürchtet hatte. Ob du es glaubst oder nicht – hier bin ich eine kleine Berühmtheit.
Und nicht nur bei meinen Zellengenossen. Selbst die beschissenen Aufseher erfüllen meine Wünsche. Ich habe viele Besucher. Ich schreibe ein Buch, Alex. Und selbstverständlich überlege ich, wie ich hier rauskomme. Glaube mir, ich werde es eines Tages schaffen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Vor einem Monat wäre es beinahe
Weitere Kostenlose Bücher