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Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens

Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens

Titel: Alex Cross 8 - Mauer des Schweigens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Patterson
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passiert?«
    »Also, dieser Mann, hatte einen liebevollen Großvater, der ihn und die Familie vergötterte. Ihm fiel auf, dass sein Enkel zu viel arbeitete, und er erzählte ihm deshalb die Geschichte von den Murmeln, und zwar folgendermaßen: Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes beträgt ungefähr fünfundsiebzig Jahre. Das bedeutet dreitausendneunhundert Samstage – an denen du gespielt hast, als du noch ein Kind warst, und die du mit deiner Familie verbringen kannst, wenn du älter und weiser geworden bist.«
    »Verstehe«, sagte ich. »Oder auch spielen kannst, wenn du älter bist, oder jedem, der es hören will, Vorträge halten.«
    »Still, Alex. Hör mir gut zu. Dieser Großvater berechnete, dass seinem Enkel, der gerade dreiundvierzig war, ungefähr tausendsechshundertsechzig Samstage im Leben blieben. Statistisch gesprochen. Er kaufte zwei große Glasbehälter und füllte sie mit wunderschönen Katzenaugenmurmeln und gab sie seinem Enkel. Dabei sagte er ihm, dass er jeden Samstag eine Murmel herausnehmen sollte. Nur eine einzige und nur als Erinnerung, dass ihm nur noch eine gewisse Anzahl Samstage bliebe und dass sie das Kostbarste seien, was er besäße. Denk darüber mal nach, Alex – falls du Zeit hast«, schloss Nana.
    Und jetzt war ich hier in diesem Hochsicherheitsgefängnis – an einem Samstag. Ich glaubte jedoch ganz und gar nicht, dass ich diesen Tag vergeudete. Aber Nanas Botschaft hatte sich in mir festgesetzt.
    Dieser Fall war meine letzte Mordermittlung, musste es sein.
    Das war das Ende des Weges für Detective Alex Cross.
    Ich konzentrierte mich auf den verwirrenden Fall, als ich zur Zelle Tran Van Luus ging. Er würde meine Reise wenigstens eine Murmel wert machen.
    Zumindest hoffte ich das.
72
    Tran Van Luu war vierundfünfzig Jahre alt und teilte mir mit, er spräche fließend Vietnamesisch, Französisch und Englisch.
    Sein Englisch war hervorragend. Mir drängte sich der Eindruck auf, als sei er eher ein Universitätsprofessor als ein wegen mehrfacher Morde verurteilter Verbrecher. Luu trug eine Brille mit dünnem Goldgestell und hatte einen langen grauen Bart. Er war ein Philosoph – offenbar in allem. Aber war er Fußsoldat?
    »Nominell bin ich Buddhist«, sagte er, als er in der ein Meter fünfundsiebzig mal vier Meter großen Zelle saß. Ein Bett, ein Stuhl und ein Bücherbord mit Schreibplatte füllte den halben Raum. Regal, Bett und Schreibplatte waren aus Beton gegossen, so dass man sie nicht auseinander nehmen oder verrücken konnte.
    »Ich werde Ihnen etwas über die Hintergründe berichten«, sagte er.
    Ich nickte. »Das wäre ein guter Anfang.«
    »Geboren wurde ich in Son Trach, einem Dorf in der Provinz Quang Binh, knapp nördlich der damaligen demilitarisierten Zone. Es ist eine der ärmsten Provinzen des Landes, aber alle sind relativ arm. Mit fünf Jahren begann ich auf den Reisfeldern meiner Familie zu arbeiten. Alle hatten stets Hunger, obwohl wir Nahrungsmittel anbauten. Wir hatten nur eine richtige Mahlzeit pro Tag, für gewöhnlich Yams oder Cassava. Ironischerweise mussten wir unseren Reis dem Landbesitzer übergeben. Unsere gesamte Loyalität galt der Familie, die Ahnen eingeschlossen, einem Stück Land und dem Dorf. Nationalismus existierte nicht, eine westliche Vorstellung, die von Ho Chi Minh eingeführt wurde.
    Meine Familie zog neunzehnhundertdreiundsechzig nach Süden und trat in die Armee ein. Die Alternative war: verhungern, außerdem war ich mit dem Hass auf die Kommunisten aufgewachsen. Ich erwies mich als ausgezeichneter Kundschafter und wurde der MACV Recondo School, dem Aufklärungsdienst der US-Army Special Forces, empfohlen. Das war meine erste Begegnung mit Amerikanern. Anfangs mochte ich sie.«
    »Was ist passiert, dass sich das geändert hat?«, fragte ich.
    »Vieles. Vor allem, als ich feststellen musste, dass viele Amerikaner auf mich und meine Landsleute herabblickten.
    Trotz wiederholter Versprechungen ließ man mich in Saigon zurück. Ich wurde einer der Boat-People.
    Neunundsiebzig gelangte ich schließlich doch nach Amerika.
    Orange County, Kalifornien. Dort gibt es sehr viele Vietnamesen. Wir konnten nur überleben, indem wir familien- und dorfähnliche Strukturen wie in unserer Heimat aufbauten. Ich tat das mit einer Gang – den Ghost Shadows. Wir hatten in Kalifornien Erfolg, dann auch in der Gegend um New York, eingeschlossen Newark. Man wirft mir vor, ich hätte in New York und Jersey Mitglieder einer rivalisierenden

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