Alex Rider 08: Crocodile Tears
Fahrer nicht anhielt, war merkwürdig. Vielleicht war der Motorenlärm so laut, dass er den Aufprall nicht gehört hatte.
Der Bus erreichte das Tor und fuhr hindurch, ohne abzubremsen. Die Wachleute mussten alles mitbekommen haben, aber ihnen waren die Hände gebunden. Sie konnten schlecht auf einen Bus mit Schulkindern schießen. Der Bus hatte das Gelände verlassen und beschleunigte.
Erschöpft blieb Alex auf dem Dach liegen und ließ die kalte Luft über seinen Körper streichen. Er spürte etwas Nasses auf seiner Brust und glaubte einen schrecklichen Moment lang, er sei angeschossen worden. Doch es handelte sich nicht um Blut. Das Reagenzglas war zerbrochen. Dann musste Smithers den Inhalt eben anhand der Reste auf Alex’ Jacke bestimmen. Die reichten ihm bestimmt.
Alex konnte nicht den ganzen Weg nach London auf dem Bus verbringen. Kurz bevor sie auf die Hauptstraße einbogen, kroch er zum Rand des Dachs und ließ sich mit dem Oberkörper hinunter, bis er kopfüber vor dem Fenster seines Platzes hing. Er hatte Glück. Tom Harris bemerkte ihn und riss ungläubig die Augen auf. Alex gab ihm mit der Hand ein Zeichen. Tom nickte.
Gleich darauf kam der Bus zum Stehen. Tom stieg aus, rannte hinter einen Baum und tat so, als müsste er sich übergeben. Alex verlor keine Zeit. Er rutschte zur Dachkante und ließ sich hinab. Hinkend trat er zu seinem Freund.
»Alex!« Tom sah ihn entsetzt an. »Was ist denn mit dir passiert?«
»Es hat nicht so geklappt wie geplant.«
Gemeinsam kehrten sie zum Bus zurück und stiegen ein. Dabei kamen sie an M r Gilbert vorbei, der ganz vorne saß. Der Erdkundelehrer erschrak noch mehr als Tom. Er hatte nur einen Jungen aussteigen sehen. Wieso kehrten jetzt zwei zurück?
»Alex Rider!«, rief er entsetzt. »Wo kommst du denn her? Was ist passiert?«
Alex wusste nicht, was er sagen sollte. Er konnte sich vorstellen, was er für einen Anblick bot.
Tom kam ihm zu Hilfe. »Alex ist aus dem Fenster gefallen, Sir. Zum Glück haben wir angehalten.«
»Ich glaube dir kein Wort! Die Fenster lassen sich gar nicht öffnen.«
»Es war die hintere Tür.«
»Abe r …« M r Gilbert verstummte verwirrt. Er wollte nur noch nach London zurückkehren. »Du meldest dich gleich morgen Früh beim Direktor, Alex«, sagte er kurz angebunden. »Jetzt setz dich auf deinen Platz.«
Alex und Tom gingen an knapp vierzig neugierigen Gesichtern vorbei nach hinten. Am nächsten Tag würde die ganze Schule über den Vorfall sprechen – das war eben typisch Alex Rider. Er war immer für eine Überraschung gut.
Alex hatte die wertvollen Computerdaten auf dem Stick gespeichert und brachte zusätzlich noch die Probe aus dem Reagenzröhrchen mit. Er hatte seinen Teil der Abmachung erfüllt, ohne dabei größeren Schaden zu nehmen. Da er nichts mehr von Harry Bulman gehört hatte, ging er davon aus, dass auch der MI6 sein Versprechen gehalten hatte.
Erleichtert sank er in seinen Sitz. Sein Auftrag war beendet. Vielleicht erfuhr er nie, was McCain und Straik im Schilde führten, aber egal. Es ging ihn auch nichts an und er war heilfroh, dass er den beiden nie wieder begegnen würde.
D esmond McCain war in Straiks Büro zurückgekehrt. Inzwischen war er alles andere als gelassen. Mit übereinandergeschlagenen Beinen saß er da und ballte immer wieder die Hand zur Faust. Die beschädigten Muskeln seines Unterkiefers arbeiteten vor Erregung und die beiden Kopfhälften schienen noch schlechter aufeinanderzupassen als sonst. Sogar das silberne Kruzifix an seinem Ohr schien an Glanz verloren zu haben.
»Der Eindringling muss während unseres Gesprächs hier in diesem Zimmer gewesen sein«, knurrte er.
»So ist es.« Leonard Straik, der an seinem Schreibtisch saß, leckte sich die Lippen und zwinkerte ein paarmal nervös.
»Aber wo?« McCains graue Augen wanderten langsam durch das Büro. »Hinter dem Bild!«
»Dahinter soll genügend Platz sein?«
»Wo sonst?« McCain überlegte. »Was hat er gehört?«
»Nicht viel.« Straik zögerte. »Wir waren nur kurz hier. Zum Glück habe ich den Speicherstick bemerkt.«
»Er hat die Festplatte Ihres Computers kopiert.«
»Die Dateien sind verschlüsselt. Und selbst wenn er den Code knackt, verraten sie nicht viel.«
»Und das Reagenzröhrchen?«
»Ist auch nicht so schlimm. Er wird die Probe untersuchen lassen, aber sie wird ihm kaum was sagen. Ich glaube nicht, dass jemand ihre Bedeutung erkennt.«
»Sie glauben es nicht.« McCain schlug mit der Faust auf die
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