Alex Rider 08: Crocodile Tears
Restaurant in einem. Es hatte ein Strohdach, das viel zu groß wirkte und aussah, als hätte man es über das Haus gestülpt wie die Teighülle über eine Pastete. Es hatte weder Fenster noch Türen und auch keine Wände.
Alex konnte sich vorstellen, wie die Gäste hier nach einem langen Tag auf der Pirsch bei einem eisgekühlten Gin Tonic gesessen hatten. Die Tische waren allerdings in einer Ecke aufeinandergestapelt und die Bar hatte geschlossen.
Auf dem Dach des ersten Gebäudes stand eine Satellitenschüssel. Wahrscheinlich gab es dort drin ein Funkgerät. Konnte er sich heimlich hineinschleichen und etwas senden? Er bezweifelte es. Auf dem Gelände patrouillierten bestimmt ein Dutzend Wachen. Sie waren mit Speeren bewaffnet, mit denen sie umgingen, als seien sie damit geboren worden. Speere und Gewehre, eine seltsame Kombination für das einundzwanzigste Jahrhundert, doch in den Händen der Kikuyu gewiss sehr gefährlich.
»Hierher, Alex.«
Am Fluss stand eine erhöhte Plattform mit einer Feuerstelle, deren Flammen fast heruntergebrannt waren. Die Asche leuchtete rot und der Geruch nach Holzkohle lag in der Luft. Auf der Plattform befand sich ein Tisch mit Stühlen. Der Tisch war mit zwei weißen Porzellantellern, zwei Weingläsern, aber nur einer Garnitur Besteck gedeckt, die aus zwei silbernen Messern und einer Gabel bestand.
»Sie essen nicht mit?«, fragte Alex.
Dr . Bennett legte ein paar Äste ins Feuer. »Reverend McCain hat mich nicht eingeladen.«
»Dann können Sie ja abspülen.«
»Immer noch zu Scherzen aufgelegt?« Sie sah ihn wütend an. »Mal sehen, ob du morgen auch noch so gut drauf bist.«
Sie machte kehrt und ging.
Alex überlegte, ob sie sich ärgerte, weil sie nicht eingeladen worden war. Er wusste immer noch nicht, was für eine Rolle sie spielte. Warum hatte sie sich auf die Seite von Desmond McCain geschlagen?
Er setzte sich. Neben einem Wasserkrug stand eine bereits geöffnete Flasche mit französischem Wein. Er schenkte sich Wasser ein. Sein Blick fiel auf die Messer. Eines hatte eine gezahnte Klinge und sah scharf aus. Ob jemand bemerken würde, wenn es fehlte? Er sah sich um, nahm es dann rasch vom Tisch und steckte es in den Hosenbund. Es war ein seltsam tröstliches Gefühl, die Klinge auf der Haut zu spüren. Zum Essen würde er einfach das Brotmesser benutzen.
Er blickte über den Fluss. Was für Tiere trieben sich nachts dort herum? Es gab keinen Zaun zwischen dem Flussufer und dem Camp. Er hatte Affen und Antilopen gesehen. Gab es vielleicht auch Löwen? Trotz seiner misslichen Lage war es ein einmaliges Erlebnis, hier am Fluss zu sein, neben sich ein Feuer und vor sich den afrikanischen Busch mit seinen Geheimnissen. Alex blickte zum nächtlichen Himmel hinauf. Dort funkelten so viele Sterne, dass der endlose Raum kaum auszureichen schien. Und mitten unter ihnen prangte groß und hel l …
»Sie nennen ihn Wolfsmond.«
Die Stimme kam aus dem Dunkeln. Desmond McCain war wie aus dem Nichts aufgetaucht und ging ohne die geringste Eile zum Tisch. Wie lange hatte er schon dort gestanden und ihn beobachtet? Er trug einen grauseidenen Anzug, glänzend schwarze Schuhe und ein T-Shirt. In seiner mächtigen Hand hielt er einen Laptop, der nichts zu wiegen schien. Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung. Er setzte sich an den Tisch und legte den Computer neben sich. Dann faltete er seine Serviette auf und sah Alex an, als bemerkte er ihn erst jetzt.
»Die Indianer haben ihn so getauft«, fuhr er fort. »Ich habe den Namen allerdings auch hier gehört. Wenn er aufgeht, dreht der Wind auf Nordost. Darauf warte ich. Mit dem Mond fängt alles an. Er spielt in meinen Plänen eine wichtige Rolle.«
»Leute, die sich für den Mond interessieren, nennt man mondsüchtig«, erwiderte Alex. »Die sollen nicht ganz zurechnungsfähig sein.«
Desmond McCain lachte kurz und lautlos. »Der verstorbene Harry Bulman hat mir einiges von dir erzählt. Ich war damals schon beeindruckt, aber ich muss sagen, jetzt bin ich es noch mehr. Jeder andere Junge in deinem Alter wäre nach dem, was du erlebt hast, bloß ein Häufchen Elend. So weit weg von zu Hause und nach einer so anstrengenden Reise. Doch du besitzt noch die Frechheit, mir Beleidigungen an den Kopf zu werfen. Ich konnte anfangs nicht glauben, dass der britische Geheimdienst ein vierzehnjähriges Kind rekrutiert. Allmählich beginne ich zu verstehen, warum er dich ausgewählt hat.«
»Bulman ist tot?« Alex wusste nicht, was er sonst
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