Alex Rider 4/Eagle Strike
drückte ab. Es war seine einzige, seine letzte Chance. Der Pfeil drang in das aufgerissene Maul der Schlange und fuhr an der Hinterseite des Kopfes wieder heraus. Alex sprang ein paar Schritte zurück, um den Todeszuckungen des Schlangenkörpers mit seinen todbringenden Eisendornen auszuweichen. In wilden Krümmungen schlug der Körper um sich, zerfetzte das Gras und das nahe stehende Gebüsch. Dann lag er still.
Alex wusste, dass er die Schlange getötet hatte, aber er bedauerte es nicht. Die Qualen, die man dem Tier angetan hatte, mussten entsetzlich gewesen sein. Im Grunde hatte er sie nur von ihrem Leiden erlöst.
Jetzt musste er nur noch eine Zone hinter sich bringe n – das Spiegellabyrinth. Ihm war klar, dass darin die Aztekengötter auf ihn warteten. Wahrscheinlich hatte man dafür Wachleute in die entsprechenden Kostüme gesteckt. Aber selbst wenn er das Labyrinth überlebte, stand ihm zum Abschluss noch der Feuerteich bevor. Alex hatte inzwischen gründlich die Nase voll von diesem Spiel. Mochte Damian Cray doch in der Hölle schmoren! Er blickte nach oben. Eine der Überwachungskameras war nun ausgeschaltet; weitere Kameras hatte er nicht entdecken können. Offenbar hatte er den blinden Fleck in diesem irren Spielplatz gefunden, und das kam ihm gerade recht.
Höchste Zeit, dass er nach einem Ausgang suchte.
Die Wahrheit über Alex
K ein Volk der Welt kannte wildere und grausamere Götter als die Azteken. Genau deshalb hatte Cray aztekische Götter für sein Computerspiel ausgewählt.
Drei dieser Götter hatte er sozusagen herbeigerufen, damit sie die fünfte und letzte Zone der riesigen unterirdischen Spiellandschaft bewachten: das Spiegellabyrinth. Tlaloc, der Regengott, war halb Mensch und halb Alligator. Er hatte scharfe Zähne, klauenähnliche Hände und einen dicken Schuppenschwanz, den er hinter sich her zog. Xipe Totec, der Gott des Frühlings, hatte sich selbst die Augen ausgerissen. Sie baumelten immer noch vor seinem grauenhaften, schmerzverzerrten Gesicht. Xolotl brachte den Azteken das Feuer; er ging auf zerschmetterten und nach hinten verdrehten Füßen. Aus seinen Händen züngelten Flammen, die hundertfach in den Spiegeln reflektiert wurden und die Rauchwolken immer dichter werden ließen.
Natürlich war nichts Übernatürliches an diesen drei Gestalten, die auf Alex warteten. Unter den grotesken Masken, der Plastikhaut und dem dicken Make-up verbargen sich nur ganz gewöhnliche Verbrecher, die vor Kurzem aus Baijlmer, dem größten Gefängnis der Niederlande, entlassen worden waren. Jetzt gehörten sie zum Wachpersonal von Cray Software Technology. Außerdem hatten sie auch noch ganz besondere Aufgaben. Das hier war eine davon. Die drei Männer waren mit Krummschwertern, Speeren, Stahlklauen und Flammenwerfern bewaffnet. Und sie freuten sich darauf, sie einzusetzen.
Der Mann, der als Regengott Tlaloc verkleidet war, erblickte Alex zuerst.
Die Überwachungskamera in Zon e 3 war ausgefallen, deshalb wusste niemand, ob Alex heil aus der Zone herausgekommen war oder ob ihn die Schlange erledigt hatte. Doch plötzlich nahm der Regengott eine Bewegung wah r – eine Gestalt mit nacktem Oberkörper, die um eine Ecke bog. Alex versuchte nicht einmal, sich zu verstecken, und der Mann erkannte auch sofort warum.
Alex Riders Oberkörper war blutüberströmt. Sein Mund öffnete und schloss sich, aber kein Laut kam heraus. Und dann bemerkte der Wachmann auch den Holzspeer, der in seiner Brust steckte. Wahrscheinlich hatte der Junge versucht, durch den Korridor mit den Speeren zu rennen, es aber nicht geschafft. Ein Speer hatte ihn erwischt.
Jetzt sah auch Alex den Wächter und blieb stehen. Er schwankte, fiel auf die Knie, eine Hand griff kraftlos nach dem Speer, dann kippte er um. Sein Blick war nach oben gerichtet. Er versuchte offenbar, etwas zu sagen, doch aus seinem Mund quoll Blut. Seine Augen schlossen sich und er rollte auf die Seite. Dann bewegte er sich nicht mehr.
Der Wachmann entspannte sich. Es war ihm völlig egal, dass der Junge tot war. Er griff in die Tasche seines Kettenpanzers und holte ein Funkgerät heraus.
»Die Sache ist vorbei«, sagte er auf niederländisch. »Der Junge ist von einem Speer erwischt worden.«
In der gesamten Spielanlage flackerten Neonlampen auf. Im harten weißen Licht erschienen die verschiedenen Zonen plötzlich viel billiger und primitive r – fast wie Attraktionen auf einem Rummelplatz. Die Verkleidung der Wachleute als aztekische Gottheiten
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