Alex Rider 5: Scorpia: Alex Riders fünfter Fall
Höhlen. Er musste den Fallschirm öffnen. Nein. Jerry hatte ihn davor gewarnt. Wie viele Sekunden?
Jetzt!
Er zog den Hilfsschirm und hoffte, dass er in den Luftstrom geriet. Er sah nichts. Der Schirm war schon verschwunden und zog die Leine hinter sich her, die wiederum den Fallschirm aus der Verpackung reißen sollte. Gott! Das war zu spät gewesen. Er fiel zu schnell. Ein langer stummer Schrei, der Wind brüllte in seinen Ohren, seine Haut zog sich zusammen. Wo war der verdammte Fallschirm? Wo war oben? Wo war unten? Wa s …
Plötzlich ein ungeheurer Ruck, der ihn in Stücke zu reißen schien. Am äußersten Rand seines Blickfelds bemerkte er Seile und aufflatternden Stoff. Der Schirm! Aber das interessierte ihn nicht. Wo war er? Unter sich sah er seine Füße in der Luft hängen. Ein weißes Rechteck raste auf sie zu. Das Dach! Doch viel zu weit weg. Er würde es verfehlen. Schnell. Die Steuerschlaufen. Schon besser. Das Dach kippte wieder auf ihn zu. Was noch? Bremsen! Er zog an den Bremsleinen, sodass sich der Schirm nach vorn aufstellte und e r – wie ein Flugzeug bei der Landun g – leicht aufgerichtet in Schräglage geriet. Aber kam das nicht viel zu spät?
Er sah nur noch das Dach. Dann schlug er auf. Die Erschütterung fuhr ihm durch Knöchel und Knie bis in die Oberschenkel. Er rannte. Der Schirm zog ihn nach vorn. Jerry hatte ihn davor gewarnt. Unten könnte der Wind stärker sein, und wenn er nicht aufpasste, würde es ihn vom Dach ziehen. Die Kante raste auf ihn zu. Er stemmte sich in die Fersen, tastete nach den Tragegurten in seinem Rücken, und als er sie in den Händen hielt, zog er sie runter. Hör auf zu laufen! Und nur noch Zentimeter vom Rand des Daches entfernt, gelang es ihm endlich: Seine Füße standen still. Er lehnte sich zurück und zog den Schirm zu sich heran. Und setzte sich.
Er war angekommen.
Ein paar Sekunden lang tat er gar nichts. Er erlebte das fantastische Glücksgefühl, das alle BASE-Jumper kennen und das diesen Sport zu einer Sucht machen kann. Sein ganzer Organismus war mit Adrenalin überschwemmt. Sein Herz schlug doppelt so schnell wie sonst. Alle Haare an seinem Körper hatten sich aufgerichtet. Er sah nach oben, die Felswand hinauf. Von Tom und seinem Bruder war nichts zu sehen. Auch wenn sie noch da oben standen, sie waren zu weit weg, unmöglich zu erkennen. Alex verstand selbst nicht, wie er so schnell von da oben heruntergekommen war. Und wenn er es richtig mitbekommen hatte, hatten die Wachposten ihn nicht bemerkt. Mit Consantos Sicherheitsdienst war es offensichtlich nicht weit her!
Alex wartete einen Moment, bis sich sein Herz beruhigt hatte, dann schnallte er den Helm und die Gelenkschützer ab. Er legte den Fallschirm hastig zusammen und verstaute ihn so gut es ging in seiner Tasche. Er hatte Blutgeschmack im Mund und merkte erst jetzt, dass er sich trotz Jerrys Hinweis in die Zunge gebissen hatte.
Geduckt lief er mit der Fallschirmtasche zu der Tür, die er von unten gesehen hatte. Er musste Jerrys Ausrüstung hier oben auf dem Dach liegen lassen, bis es an der Zeit war, zu verschwinden. Über seinen Rückzug hatte er sich auch schon Gedanken gemacht. Das Einfachste wäre, die Polizei anzurufen und sich verhaften zu lassen. Im schlimmsten Fall würde er eine Anzeige wegen unerlaubten Betretens des Firmengeländes erhalten. Aber er war ja erst vierzehn. Dass er in einem italienischen Gefängnis landen würde, war kaum anzunehme n – eher würde man ihn wohl nach England zurückschicken.
Die Tür stand halb offen. Das hatte er also richtig beobachtet. Ein Dutzend Zigarettenkippen auf dem Dach machte deutlich, dass es einem Raucher trotz der vielen Wachposten, Kameras und Alarmanlagen gelungen war, sich nach oben zu schleichen. Offenbar hatte dieser dann aber vergessen, die Tür wieder zuzumachen.
Wie günstig. Alex glitt hinein, stieg eine Metalltreppe hinunter und gelangte vor eine weitere, wesentlich stabiler wirkende Tü r – Stahl mit kleinen Glasfenstern. Er glaubte schon, dass es an dieser Stelle nicht mehr weiterging, aber anscheinend hatte ihn irgendein Sensor erfasst, denn als er auf die Tür zutrat, schob sie sich auf und unmittelbar hinter ihm wieder zu. Vielleicht hatte der unbekannte Raucher das so eingestellt. Alex drehte sich um und schwenkte einen Arm. Die Tür blieb zu. Eine Tastatur an der Wand daneben verhieß nichts Gutes. Auf diesem Weg hineinzukommen war eine Sache. Aber um auf demselben Weg wieder herauszukommen, brauchte er
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