Alex Rider 6: Ark Angel
nicht diese Leute um ein Darlehen bitten.
Vergiss nicht, er war ein sehr angesehener Geschäftsmann. Er hatte die Zukunft im Blick, und mit Unterstützung der richtigen Leute könnte sie ihm gehören. Er brauchte ungefähr achtzig Millionen Dollar, das würde reichen, um sich die Akienmehrheit an Novgerol zu sichern, einer der großen russischen Ölgesellschaften. Die Mafia traf sich mit ihm und fand ihn wohl sympathisch, aber da auch sie nicht genug Geldhatte, wandte sie sich an ihre Freunde in Japan. Hast du schon mal von den Yakuza gehört? Nun, die hatten ebenfalls Interesse, und um die Chose abzurunden, sind auch noch die chinesischen Triaden eingestiegen.
Diese drei zusammen finanzierten das Ganze, und plötzlich war Drevin ganz groß im Geschäft.
Er kaufte sich bei Novgerol ein. Der Preis war im Grunde ein Witz, und den Schaden hatten am Ende die Russen, das russische Volk, zu tragen. Es war ihr Öl, und man hatte es ihnen praktisch gestohlen. Ich bezweifle allerdings, dass das Drevin schlaflose Nächte bereitet hat. Der Wert seiner Aktien verdoppelte und verdreifachte und verhundertfachte sich, er konnte die Schulden bei seinen kriminellen Freunden mit allen Zinsen zurückzahlen, und damit war dieses Kapitel für ihn erledigt.
Natürlich gab es auch Leute, die ihm in die Quere kamen. Es gab Demonstrationen. Die Polizei leitete eine Untersuchung ein. Und soll ich dir was sagen? Sie wurden alle ermordet. Wer Drevin nur mal schief ansah, bekam Besuch von Killern, die mit Maschinengewehren bewaffnet waren. Und die haben nicht nur diesen einen getötet. Sondern auch seine Familie. Und alle, die ihn kannten. Es war einfacher, den Mund zu halten, und glaub mir, nach einer Weile sagte keiner mehr was.
Drevin steht also im Adressbuch der russischen Mafia. Ebenso bei den Yakuza. Und bei den Triaden. Und natürlich lassen diese Leute ihn jetzt nicht mehr in Ruhe. Aber das stört Drevin nicht. Er hat zwar schon jetzt so viel Geld, wie man sich nur wünschen kann; aber das Komische ist, Typen wie er wollen immer noch mehr. Also arbeitet er weiter mit ihnenzusammen. Er ist, könnte man sagen, der Lieblingsbankier von kriminellen Organisationen aus aller Welt. Die Yakuza verkaufen russische Energetikwaffen an Terroristen; die Triaden schmuggeln Drogen aus Burma und Afghanistan; die Mafia organisiert Drogenhandel und Prostitution in allen westlichen Staaten: Drevin ist ihr Finanzverwalter. Ich schätze, weltweit werden Tag für Tag Hunderte von schmutzigen Geschäften abgewickelt, die ohne Drevins Geld nicht möglich wären.«
»Wenn Sie so viel über ihn wissen – warum nehmen Sie ihn dann nicht fest?«, fragte Alex. Er war völlig durcheinander. Er hatte gerade fast eine Woche bei diesem Mann verbracht und versuchte jetzt das, was Byrne ihm erzählte, mit dem zu vereinbaren, was er selbst beobachtet hatte. Auch er hatte bemerkt, dass Drevin kein Heiliger war; aber so etwas hätte er sich niemals träumen lassen.
»Wir werden ihn festnehmen«, antwortete Byrne. »Wie gesagt: Wir beschäftigen uns seit über einem Jahr sehr intensiv mit ihm. Aber wenn man es mit den richtig großen Verbrechern zu tun hat, Alex, ist eine Verhaftung nun mal nicht so einfach. Denk nur mal an Al Capone. Das war einer der schlimmsten Gangster von Amerika. Niemand weiß, wie viele Menschen er ermordet hat. Aber die ganze gründliche Arbeit des FBI hat am Ende nur dafür gereicht, ihn wegen kleiner Betrügereien bei seiner Einkommenssteuererklärung dranzukriegen.
Bei Drevin ist es dasselbe. Er ist clever; er hat sich nach allen Seiten abgesichert. Hier ein Geschäft, da ein Geschäft – er hinterlässt keine Spuren. Ab und zu bekommen wir vage Hinweise, dass er an irgendetwas beteiligt ist, aber aus solchen kümmerlichen Informationen lässt sich natürlich keine Anklagezimmern. Zeugen schweigen aus Angst. Meldet sich trotzdem mal einer, wird er umgebracht.
Trotz alledem ist es uns langsam, aber sicher gelungen, einiges gegen ihn zusammenzubringen. Das Außenministerium hat über zweitausend Dokumente gesammelt. Kopien, Ton- und Videoaufzeichnungen, Fotos. Ein Team von dreißig Leuten arbeitet seit Monaten rund um die Uhr. Und jeder Einzelne von ihnen muss besonders geschützt werden. Wir mussten von Anfang an befürchten, dass Drevin versuchen würde, unsere Ermittler auszuschalten. Oder dass er Leute schicken könnte, die das Beweismaterial vernichten sollen. Söldnertruppen. Selbstmordattentäter. Ihm ist wirklich alles zuzutrauen.
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