Alex Rider 7: Snakehead
Lumpen gehüllt, die man ihm in Bangkok gegeben hatte. Vielleicht hatte man sie deshalb etwas abseits von den anderen platziert. Die anderen Passagiere vor ihnen dösten im seltsamen Dämmerlicht der Kabine. Draußen war die Sonne untergegangen. Das Flugzeug schwebte in der Dunkelheit.
Beim Start und während das Flugzeug auf seine Flughöhe aufstieg, schwieg Ash beharrlich. Er hatte sich von der Stewardess zwei Miniflaschen Whisky geben lassen und mit finsterem Blick wortlos in sein Glas gestarrt, in dem die Eiswürfel ganz langsam schmolzen. Er sah noch erschöpfter aus als sonst. Alex hatte bemerkt, dass er mit seinem Drink zwei Tabletten geschluckt hatte. Erst allmählich war er dahintergekommen, dass Ash ständig unter Schmerzen litt. Und jetzt fragte er sich, ob sein Pate ihm wirklich erzählen würde, was er wissen wollte.
Aber dann begann Ash zu sprechen.
»Ich habe deinen Dad bei meinem ersten Einsatz in der Spezialeinheit kennengelernt. Er war kurz vor mir dazugestoßen, aber ein ganz anderes Kaliber. Jeder kannte John Rider. Bester seines Jahrgangs. Ein echtes Wunderkind. Der würde es sehr weit bringen.« Ash sprach ohne Groll. Vollkommen emotionslos. »Er war höchstens sechsundzwanzig. Kam von den Fallschirmjägern. Davor hatte er in Oxford studiert. Erstklassiges Examen in Politologie und Wirtschaftswissenschaften. Und habe ich eigentlich schon erwähnt, dass er ein hervorragender Sportler war? Hat für Oxford gerudert – und gewonnen. Er war auch ein guter Tennisspieler. Und jetzt war er in Prag und leitete seine erste Operation, und ich war ein Niemand, der bei ihm etwas lernen sollte.
Die Aktion war eine einzige Katastrophe. John konnte nichts dafür. Manchmal passiert so etwas. Hinterher, bei der Einsatzbesprechung, habe ich ihn dann zum ersten Mal richtig kennengelernt, und weißt du, was mir am meisten an ihm gefallen hat? Wie ruhig er war. Drei Agenten waren tot – Gott sei Dank keine von uns. Die tschechische Polizei war amDurchdrehen. Das Museum für osteuropäische Volkskunst war niedergebrannt. In Wirklichkeit war das gar kein Museum, aber das ist eine andere Geschichte. Dein Vater war nicht viel älter als ich und er blieb die ganze Zeit gelassen, hat nicht rumgebrüllt, hat nicht die Beherrschung verloren, hat nur seine Arbeit gemacht.
Danach sind wir Freunde geworden. Wie es dazu kam, weiß ich nicht genau. Wir wohnten nicht weit voneinander – er hatte eine Wohnung in einem alten Lagerhaus in Blackfriars, gleich am Fluss. Gelegentlich spielten wir zusammen Squash, insgesamt bestimmt hundertmal, und weißt du was? Zweimal habe ich sogar gewonnen. Manchmal gingen wir zusammen was trinken. John trank am liebsten Black Velvet: Guinness mit Champagner. Er war natürlich viel unterwegs und durfte mir nicht erzählen, was er machte. Wir arbeiteten zwar für denselben Dienst, aber ich durfte längst nicht alles wissen. Man bekam jedoch einiges mit, und ein paarmal habe ich ihn im Krankenhaus besucht. Und da habe ich auch deine Mutter kennengelernt.«
»Sie war Krankenschwester.«
»Richtig. Helen Beckett. Das war ihr Mädchenname. Sie war sehr attraktiv. Dieselbe Haarfarbe wie du. Und wohl auch dieselben Augen. Falls es dich interessiert: Ich habe sie gefragt, ob sie mit mir ausgehen wolle. Sie hat sehr freundlich abgelehnt. Sie war schon mit deinem Vater zusammen, den sie von Oxford her kannte, wo sie ihre Ausbildung machte.«
»Hat sie damals schon gewusst, was mein Dad arbeitet?«
»Ich weiß nicht, wie viel er ihr erzählt hat, aber natürlich ahnte sie was. Wenn man jemanden behandelt, der mit zwei gebrochenen Rippen und einer Schussverletzung ins Krankenhauskommt, nimmt man bestimmt nicht an, dass ihm das beim Golfspielen passiert ist. Aber ich habe keine weiteren Versuche gemacht, bei ihr zu landen. Und dann zog Helen bei ihm ein, und wir haben nicht mehr so oft Squash gespielt.«
»Warst du mal verheiratet, Ash?«, fragte Alex.
Ash schüttelte den Kopf. »Ich hab nie die Richtige gefunden, obwohl ich mit ein paar Falschen auch mächtig Spaß hatte. Eigentlich bin ich ganz froh darüber, Alex. Ich sage dir auch warum.
In unserem Geschäft kann man es sich nicht leisten, Angst zu haben. Angst tötet einen schneller als alles andere, und wenn es auch stimmt, dass alle Agenten furchtlos sind, bedeutet das im Allgemeinen nur, dass sie nicht um sich selbst fürchten. Das ändert sich gewaltig, sobald man verheiratet ist, und wird noch schlimmer, wenn man Kinder hat. Alan Blunt
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