Alex Rider 7: Snakehead
Flugzeug aus selbst gesehen: Er befand sich mitten im australischen Busch. Er konnte nirgendwohin.
Die zwei Wachmänner hatten ihn an den Armen gepackt und führten ihn jetzt zu dem Verwaltungsgebäude. Dort trat ihnen aus der Tür eine junge Frau entgegen, die wie eine Krankenschwester gekleidet war. Sie war klein, dick und blond, und ihr knallroter Lippenstift passte so gar nicht zu dem gestärkten weißen Kittel. Einer ihrer Strümpfe hatte eine Laufmasche.
»Du musst Alex sein«, sagte sie. »Ich bin Schwester Hicks. Aber du kannst Charleen zu mir sagen.«
Alex hatte noch nie einen so breiten australischen Akzent gehört. Und was die Frau sagte, war total verrückt. Sie begrüßte ihn, als ob es eine Freude wäre, hier zu sein.
»Komm rein«, fuhr sie fort. Dann bemerkte sie die Handschellen. »Oh, um Himmels willen!«, rief sie empört. Die brauchen wir hier doch nicht, Jacko. Würdest du sie ihm bitte abnehmen?«
Einer der Männer holte einen Schlüssel hervor und nahm Alex die Hand- und Fußfesseln ab. Die Schwester schnalzte missbilligend mit der Zunge, dann drückte sie die Tür auf und führte Alex durch einen sauberen, weiß getünchten Flur, der mit Binsenmatten ausgelegt war. An der Decke kreisten brummendVentilatoren und irgendwo lief Musik, eine Mozart- Oper.
»Der Doc empfängt dich jetzt«, sagte die Schwester munter, als habe Alex schon lange einen Termin.
Sie gingen durch eine Tür am Ende des Flurs. Alex trat in einen sonnendurchfluteten Raum, der nur mit dem Nötigsten ausgestattet war – ein Schreibtisch und zwei Stühle, ein Wandschirm, ein kleiner Kühlschrank und ein Rollwagen, auf dem ein paar Flaschen, ein Stethoskop und zwei Skalpelle lagen. Durch das offene Fenster war der Anlegesteg zu sehen.
Hinter dem Schreibtisch saß ein Mann; er trug keinen weißen Kittel, sondern Jeans und ein buntes Hemd mit offenem Kragen und hochgekrempelten Ärmeln. Er war in den Vierzigern, hatte dichtes blondes Haar und ein zerfurchtes, wettergegerbtes Gesicht. Er sah gar nicht aus wie ein Arzt. Unrasiert. Schmutzige Hände. Vor ihm standen ein Glas Bier und ein überquellender Aschenbecher.
»Guten Tag, Alex.« Auch er sprach mit australischem Akzent. »Setz dich!«
Das war keine Einladung. Das war ein Befehl.
»Ich bin Bill Tanner. Wir werden uns in den nächsten Wochen häufig sehen, also sollte ich gleich mal ein paar Sachen klarstellen. Willst du ein Bier?«
»Nein«, sagte Alex.
»Du solltest aber schon besser irgendetwas trinken«, sagte die Schwester. »Sonst dehydrierst du uns noch.« Sie ging zu dem Kühlschrank, nahm eine Flasche Mineralwasser heraus und stellte sie ihm hin. Alex rührte sie nicht an. Er war fest entschlossen, bei diesem Spiel nicht mitzumachen.
»Wie war der Flug?«, fragte Tanner.
Alex antwortete nicht.
Der Arzt zuckte die Schultern. »Du bist sauer. Das ist okay. Ich an deiner Stelle wäre auch ganz schön sauer. Aber vielleicht hättest du an die Konsequenzen denken sollen, bevor du dich mit den Snakeheads anlegst.«
Er beugte sich vor, und Alex spürte mit Schrecken, dass dieses Gespräch für den Arzt reine Routine war. Alex war nicht der Erste, den man gegen seinen Willen in dieses geheime Krankenhaus gebracht hatte. Wo er jetzt saß, hatten schon viele andere gesessen.
»Ich erkläre dir jetzt, wie das hier läuft«, fing Dr. Tanner an. »Du wirst sterben. Tut mir leid, dass ich dir das sagen muss, aber am besten gewöhnst du dich gleich an diesen Gedanken. Wir alle müssen einmal sterben, auch wenn der Tod dich wahrscheinlich ein wenig früher ereilt, als du erwartet hast. Aber betrachte es mal von der anderen Seite. Du wirst hier mit allem versorgt. Wir haben ein sehr gutes Team, und es liegt in unserem Interesse, dich so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Du wirst viele Operationen über dich ergehen lassen müssen, Alex. An manchen Tagen wirst du leiden müssen. Aber du kommst durch ... Davon bin ich überzeugt. Und am Ende helfen wir dir über die Ziellinie.«
Alex sah kurz nach dem Rollwagen und schätzte die Entfernung bis zu den Skalpellen, die dort lagen. Er überlegte, ob er sich eins davon schnappen und als Waffe gebrauchen sollte. Aber das würde ihm nichts nützen. Besser wäre es, unauffällig eins mitgehen zu lassen; vielleicht fand er später Verwendung dafür. Der Arzt wartete auf seine Antwort. Alex warf ihm ein hässliches Schimpfwort an den Kopf. Tanner lächelte bloß.
»Du hast eine recht derbe Ausdrucksweise, Junge«,
Weitere Kostenlose Bücher