Alexander der Große
gab es keine
Pläne. In Griechenland wurde das nahe Ende der makedonischen Invasion erwartet, der athenische Redner Demosthenes sah Alexander
schon von den Hufen der persischen Pferde zerstampft. Doch dessen Lage hatte sich zunächst ein klein wenig verbessert. Der
Söldnerführer Memnon war plötzlich gestorben, Dareios gab die Option einer zweiten Front auf. Alexanders Ziel war nun offenbar
Syrien. Dazu musste er noch vor Einbruch des Herbstes einen 1200 Meter hoch gelegenen Engpass, die Kilikische Pforte, passieren.
Weite Teile des nördlichen Kleinasiens blieben unerobert, das Alexanderreich, wie es sich 323 präsentierte, bestand teilweise
nur auf dem Papier der königlichen Kanzlei.
Der Engpass wurde nicht von persischen Truppen verteidigt, die wenigen Wachen überwand Alexander leicht. Das kam überraschend.
Als Grund wurde persische Nachlässigkeit vermutet, doch das überzeugt nicht. Wahrscheinlicher ist, dass der Großkönig und
sein aus vielen Völkern gemischtes Heer den direkten Kampf, Heer gegen Heer, suchten. Ein gemeinsamer Sieg gegen die Invasoren
hätte die bröcklige Reichseinheit gefestigt und Dareios’ nicht unumstrittenen Führungsanspruch gestärkt. Von Bedeutung war
für Dareios zudem die Wahl des Schlachtortes, um seine Hauptwaffen, die Reiterei und die |36| Kampfwagen, effektiv einsetzen zu können. Dazu war die Gebirgslandschaft Kleinasiens wenig geeignet.
Die große Auseinandersetzung verzögerte sich jedoch. In der kilikischen Stadt Tarsos, die der assyrische König Sardanapal
an einem Tag erbaut haben soll, erkrankte Alexander schwer. Teilnehmer des Zuges sprachen von einer Folge tiefer Erschöpfung
– nach einem Jahr großer Rückschläge nicht verwunderlich. Das offizielle Bulletin versuchte sich in einer naheliegenden Erklärung:
Die Krankheit sei Folge eines erhitzen Bades im Wasser des eiskalten Gebirgsflusses Kydnos, der Barbarossa später zum Verhängnis
werden sollte. Aus der Unsicherheit der Situation, schließlich erkrankte Alexander unmittelbar vor der entscheidenden Schlacht,
entstand die Legende von der wunderbaren Heilung durch den Arzt Philippos. Obwohl Parmenion vor einem Giftanschlag durch den
angeblich von Dareios bestochenen Leibarzt gewarnt hatte, trank Alexander – die briefliche Warnung in Händen – die verabreichte
Arznei und genas sofort. Das Vertrauen, das der König in Philippos setzte, symbolisierte das Vertrauen in die eigenen Truppen.
Die Episode diente dazu, die verlorene Zuversicht des Heeres wiederherzustellen. 20
Verkehrte Fronten bei Issos
Die Schlacht von Issos war die wichtigste in Alexanders Regentschaft. Ein Sieg kam dem Kriegsziel nahe, der Herrschaft über
weite Teile Kleinasiens. Ungewöhnlicherweise wurde sie mit verkehrten Fronten geschlagen. Beide Heere waren, von der Fernaufklärung
unbemerkt, aneinander vorbeigezogen, sodass nun der Großkönig von Westen kam, Alexander von Osten. In die Geschichte ging
Issos seit der Spätantike aber vor allem wegen eines Rechenfehlers ein. Als der Mönch Dionysios Exiguus eine neue, an Christi
Geburt orientierte Chronologie errechnete, irrte er sich um einige Jahre, sodass Issos vom vermutlich korrekten Datum 328
auf die griffige Merkzahl 333 zurückrutschte. Über den Kampfverlauf liegen verschiedene Berichte vor. Der einzige zeitgenössische
stammt von Kallisthenes und ging über Ptolemaios |37| wohl bei Arrian ein. Er ist zweifellos von propagandistischen Absichten geprägt. Was daneben die Vulgata, vor allem aus Erzählungen
von Söldnern schöpfend, berichtet, ist großenteils erfunden. So sind die verschiedenen, oft minutiösen Rekonstruktionen, die
Forschung und Militär seit dem 19. Jahrhundert wiederholt versuchten, nichts als Spielerei im wissenschaftlichen Gewand.
Makedonen wie Perser sahen in der Reiterei ihre stärkste Waffe; das Zentrum, in dem die
Pezhetairoi
(Fußsoldaten) Alexanders den Söldnern des Dareios gegenüberstanden, spielte demgegenüber eine geringere Rolle. Nach Ptolemaios
(bei Arrian), der sicherlich die offizielle Lesart hat, begann Alexander, sobald er in Schussweite des Gegners gekommen war,
auf dem rechten Flügel die Attacke, um den Gegner durch einen schnellen Vorstoß zu überraschen. 21
Die Legende, wie sie dann in ihrer berühmtesten Ausprägung das Mosaik von Pompeji einfängt, begann wieder mit Kallisthenes.
Er brachte den Gedanken des homerischen Zweikampfes, Achill gegen Hektor, Krieger gegen
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