Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
und senkte sich. Irgendwo knarrten Hölzer, und ein Schwall von salziger Luft und sonnenheißem Pech vermengte sich mit dem Duft des Weins und dem Ruch der Körper.
» Ein guter Plan, ohne Zweifel. Und… sehr verlockend. Was hat Philipp gesagt hinsichtlich der Entlohnung? Auch Philosophen müssen ja leben. Ebenso die Frau und die Sklaven des Haushalts.«
» Gold«, sagte Drakon. » Und Silber, beides in ausreichenden Mengen. Der Unterhalt des Nymphaion, die Beschaffung von Nahrung und allem, was nötig ist. Du wirst, wenn deine Zeit in Mieza zu Ende ist, zehn Jahre sorglos leben können. Samt Frau und Haushalt.«
Aristoteles schwieg lange; er starrte aufs Meer hinaus. Ein paar Fischerboote steuerten den Hafen von Mytilene an. Ein großer Fisch schnellte aus dem Wasser, schnappte nach etwas und tauchte klatschend wieder ein. Drakon wartete gelassen. Er trank einen Schluck Wein, stellte den Becher auf den kleinen Tisch und faltete die Hände auf dem Schoß.
Plötzlich atmete Aristoteles tief durch, ächzte und sagte leise: » Ja. Weiter.«
Drakon zögerte, als müsse er seine Worte sorgsam abwägen. » Philipp wird einen bewaffneten Spaziergang nach Byzantion unternehmen. Im Frühjahr.«
Aristoteles kniff die Augen zusammen, wartete, aber Drakon sprach nicht weiter.
» Und?«
Drakon hob die Schultern und lächelte. » Wo bleibt deine Klugheit, Philosoph?«
Aristoteles seufzte. » Das mit Byzantion durfte ich erst erfahren, nachdem ich zugestimmt habe, nicht wahr? Philipp hat einen Vertrag mit Artaxerxes geschlossen, wie alle wissen– Persien hat freie Hand in Asien, Philipp hat freie Hand in Thrakien und… Umgebung. Philipp will ein Bündnis aller Hellenen, ein Ende der unsäglichen Bruderkriege. Ein gleichberechtigtes Bündnis, allgemeinen Frieden und niemandes Hegemonie läßt Athen nicht zu, weil Demosthenes Athens Hegemonie will. Also muß es, bevor ein Bündnis zustande kommt, entweder eine friedliche Einigung zwischen Makedonien und Athen geben, was nicht denkbar ist; oder es kommt zum Krieg, an dessen Ende Philipps Bündnistraum steht, wie ihn auch der alte Isokrates geträumt hat. Hellas, alle Städte und Staaten, bei innerer Autonomie, nach außen unter Philipps Führung.«
Drakon trank, schwieg, wartete.
Aristoteles blickte über das Meer, nach Osten. » Das Bündnis würde auch die hellenischen Städte Asiens umfassen– Hellas beiderseits der See. Kein persisches Gold mehr zur Förderung hellenischer Bruderkriege; keine hellenischen Söldner mehr im Dienst des Großkönigs zur Unterdrückung anderer Hellenen. Ein guter, großer, großartiger Traum. Allgemeiner Friede, Sicherheit, Wohlstand, Handel statt der ewigen Ströme sinnlos vergossenen Bluts. Aber– Athen ist der Nabel, das Herz, die Leber von Hellas. Wenn Philipp Athen angreift, was er bisher vermieden hat, werden sich die meisten hellenischen Staaten zu Athen schlagen. Und gegen alle Hellenen wäre auch Philipps wunderbares Heer zu gering. Deshalb muß Athen den Krieg beginnen. Dann werden die meisten anderen Hellenen zusehen und abwarten. Ist das Philipps Spiel? Das heißt, er macht Demosthenes, der den Krieg will, gewissermaßen zu seinem unfreiwilligen Helfer oder Bundesgenossen.– Sehr fein. Byzantion ist mit Athen halb und halb verbündet. Byzantion schürt Unruhe gegen Makedonien. Ein Zug gegen Byzantion sichert Philipps Herrschaft in Thrakien, schafft ihm breitere und bessere Grundlagen für die Zukunft, zieht wahrscheinlich Athen in den Krieg. Und später? Wenn es später nach Asien geht, um die anderen hellenischen Städte vom Joch der Barbaren zu befreien, ist das ganze Land nördlich des Bosporos in Philipps Hand.« Er nickte langsam, dann schneller, heftiger. » Ein guter Plan. Wie immer vielseitig.«
Drakon hob den Becher und betrachtete Aristoteles über den Rand hinweg. » Da ist noch etwas. Zur Verbesserung der Möglichkeiten, wenn es irgendwann gegen Persien geht.«
Aristoteles hob die Brauen. » Was denn? Habe ich etwas damit zu tun?«
» Du hast vorteilhafte Familienbeziehungen…«
Aristoteles zuckte zusammen. » Schwarzer daimon«, sagte er leise.
Im Frühjahr lief eine kleine Flotte den Hafen von Mytilene an; sie bestand aus vier Trieren und drei Lastschiffen. Der Besitz des Aristoteles, Haushalt, Bücher, Frau, Mitarbeiter und Sklaven fanden genug Raum. Die Schiffe fuhren weit nach Westen, in den Hafen von Aloros, südöstlich der Mündung des Haliakmon. Maultierkarren, Pferdekarren und Reittiere warteten
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