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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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fein wogt. Und wallt.«
    Pausanias schüttelte den Kopf und drehte sich um. Drei oder vier Männer sprangen auf, packten ihn, rissen ihm die Kleider vom Leib, zogen ihn zu einem Tisch und hielten ihn fest. Attalos trat hinter ihn, befühlte Pausanias’ Gesäß und öffnete den Gürtel.
    » Wie viele, sagst du? Sechs, sieben?«
    » Sieben, Herr.« Pausanias war bleich und schien Mühe mit seinem Pferd zu haben. Er saß nicht gut.
    Philipp kratzte sich den Bart und blickte zu den Hügeln, als ob er sie zählen müßte. Das herbstliche Land war grün und feucht.
    » Und es geht dir nicht gut heute, wie?«
    » Wund, mein König.« Pausanias’ Gesicht war eine Fratze.
    » Wund? Kommt beim Reiten schon mal vor.« Philipp grinste. » Tut mir leid, daß es geschehen ist, aber… wie ich gestern hörte, müssen wir die Fürsten, ah, bei Laune halten.«
    » Nicht meine Art Laune– Herr.«
    Leise, aber sehr eindringlich sagte Philipp: » Attalos ist einer der wichtigsten Fürsten des Landes. Es wird keine Rache geben, hörst du?«
    Pausanias schwieg; sein Gesicht wurde langsam dunkelrot.
    » Ich weiß, es ist scheußlich. Schmach und Beleidigung und verletzte Ehre. Trotzdem– es geht nicht um einzelne, sondern um uns alle. Wenn ich jeden, der mich in den letzten Jahren beleidigt hat, umbringen wollte, hätte ich keine Zeit mehr, mich um das Land zu kümmern. Wir brauchen Attalos; dich und die anderen Oresten brauchen wir auch.«
    Pausanias’ Finger krallten sich in die Mähne des Pferds. » Du willst, daß ich meine Rache an dich abtrete?«
    Philipp seufzte. » Ihr mit euren verworrenen Ehrbegriffen… Gib mir deine Ehre, deine Rache und deine Treue– wie bisher, Junge. Ich werde sie hüten und mehren.– Was ist deine Aufgabe, im Moment? Gefährte des Königs und?«
    » Ich führe eine Reihe, Herr– sechzehn Reiter.«
    Philipp nickte; ein schräges Lächeln spielte um seinen Mund. » Du bist befördert. Ab sofort befiehlst du drei Reihen, eine halbe Hundertschaft. Damit gehörst du dem Stab an. Zufrieden?«
    Pausanias zögerte. » Ich will nicht aus Mitleid oder zur Entsühnung befördert werden.«
    Philipp gluckste. » Es ist eine Beförderung wegen Tapferkeit, Pausanias. Herausragende Tapferkeit bei einem, eh, Nachhutgefecht im Hinterhalt.«
    Hoch oben am klaren Herbsthimmel kreiste ein Fischadler. Die Nachmittagssonne war noch immer stechend; die hellen Fliesen des Hofs, die weißen Säulen und die gelben Wände sammelten Licht und Hitze; der milde Westwind trug aus dem Inneren der großen Insel einen Hauch von Harz und sengenden Hölzern herbei, von den nahen Feldern das Singen der Zikaden, den Ruch von trockener Erde, Herbstblumen und Früchten, aber er war zu sanft, um die Hitze im Hof zu lindern.
    Unter den Säulen, halb im Licht, halb im Schatten, ging Aristoteles mit drei Schülern auf und ab. Das Gespräch suchte die Wesensmerkmale der asiatischen Tyrannis von denen der hellenischen Tyrannis abzugrenzen; das Ziel, auf das Aristoteles behutsam hinarbeitete, sollte eine den Schülern neue Einschätzung der vorläufigen attischen Demokratie sein.
    Ein zerlumpter, fast schwarzgebrannter Junge, der sich im Durchgang zum Hof mit zwei Sklaven zankte und nach Aristoteles schrie, unterbrach die Wanderung des Denkens. Aristoteles klatschte in die Hände.
    » Laßt ihn zu mir!«
    Die Sklaven gaben den Weg frei; der Junge kam näher, plötzlich ein wenig zaudernd. » Bist du Aristoteles, Herr?«
    » Ja. Was willst du von mir?«
    Der Junge rollte mit den Augen; die Botschaft, mühsam auswendig gelernt, kam stoßweise heraus. » Einer… der dich auf einem Wagen getroffen hat… als Paionen einen Bären losließen… will mit dir reden, Herr.«
    Aristoteles hob die Brauen, dann lachte er leise. » Sehr gut. Bring mich zu ihm.– Ihr wollt mich bitte für kurze Zeit freigeben.«
    Der Junge ging voraus. Er nahm nicht den Weg zur Stadt, deren Mauern etwa zweitausend Schritt von dem Hain und den Gebäuden lagen, sondern führte Aristoteles durch die Felder, dann über eine Art Ziegenpfad auf die Küstenhügel, durch stachliges Gesträuch hinab in eine sandige Mulde, wieder aufwärts und schließlich zum Strand. Er deutete auf das Schiff, das nicht weit vom flachen Ufer auf der öligen See lag, und rannte dann wortlos nach Norden, zur Stadt.
    Vom Schiff– es war ein hochbordiger Lastkahn mit einem Mast und hochgezogenem Heck, vielleicht zwanzig Schritt lang und sieben Schritt breit– löste sich ein winziges Ruderboot. Die

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