Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
schon, ebenso ein Trupp makedonischer Reiter als Bedeckung. Am Südufer des Haliakmon zog man landeinwärts, bis zur alten makedonischen Königsstadt Aigai, wo Philipp den letzten Teil des Winters verbracht hatte, mit Plänen und Vorbereitungen. Er selbst geleitete den Zug zum Fluß, zu einer Furt. Nicht weit jenseits lag die Stadt Beroia, am Fuß des Bermion-Gebirges, und ein wenig weiter nordwestlich, halb in den Bergen, das Nymphaion von Mieza. Philipp und Aristoteles ritten abseits, als die Karren durch die Furt fuhren.
» Wenn es dann dazu kommt«, sagte Philipp, » daß Artaxerxes uns angreift, werden sich die Hellenen schon hinter uns stellen. Sie wissen doch, was auf dem Spiel steht. Nicht einmal die Thebaner und Athener sind so dumm.«
Aristoteles lächelte. » Es gibt zweifellos Grenzen des menschlichen Verstandes und Wissens, mein Freund; Grenzen der hellenischen Dummheit sind mir aber bisher nicht bekannt. Vielleicht macht uns das ja so einzigartig.«
Philipp grinste; dann wurde er ernst. » Nun denn– hast du mit Hermias gesprochen?«
Aristoteles nickte; er sprach leise und langsam. » Der Onkel und Pflegevater meiner Gemahlin, Satrap der persischen Lande von Aiolis, hegt keine freundschaftlichen Gefühle für den Großkönig. Du weißt, sie haben ihn entmannt. Er empfindet dies in gewisser Weise als Verlust.«
Philipp grunzte. » Er hat in gewisser Weise recht.«
» Er ist bereit, mit einem vertrauenswürdigen Mann zu sprechen. Schick Parmenion oder Antipatros– oder Drakon.«
» Und?«
Aristoteles lächelte grimmig. » Hermias wird dir das Recht einräumen, dein Heer in seiner Satrapie an Land gehen zu lassen. Du wirst seine Häfen, seine Straßen, seine Vorräte nutzen können, wenn es zum Krieg kommt zwischen dir und seinem ungeliebten Herrn, dem Großkönig Artaxerxes Ochos.«
Philipp holte tief Luft, dann lehnte er sich weit zur Seite und drückte Aristoteles’ Schultern.
Niemand wußte, welcher Nymphenart das alte Heiligtum von Mieza einmal geweiht gewesen war. Es gab zwei kleine Quellen– eine oberhalb des Nymphaion, deren Wasser ein Becken und eine Zisterne speiste, eine kleinere zwischen den Gebäuden, hochgemauert als Schöpfbrunnen mit Überlauf–, aber neben Quellennymphen mochten es auch Baumgöttinnen gewesen sein: Die Berghänge hinter Beroia waren dicht mit Nadelbäumen bewachsen, bis auf das Gebiet um das Nymphaion, wo es Mischwald gab, und das Nymphaion selbst lag unter uralten Eichen, Eschen und Buchen. Die meisten derartigen Orte waren einmal Sitz von Dryaden gewesen.
Baumeister, Zimmerleute, Steinmetze und Sklaven des Königs hatten die alten Gebäude hergerichtet, erweitert, ergänzt. Der eingeebnete Platz am Hang bot einen weiten Blick auf die Ebene und die bewaldeten Höhen ringsum; der Weg von Beroia streifte eine kleine Wettkampfbahn, ehe er das Nymphaion erreichte. Die Wohngebäude, Nutzräume und die Unterrichts- und Wandelhallen schlossen den Platz zum Berg hin ab, überragt von den wuchtigen Laubbäumen mit ihren ausladenden Kronen. Gegenüber der Wegmündung lag das lange, flache Gebäude aus hellem Stein mit dunklem Holzdach, in dem die fünfundzwanzig Schüler untergebracht waren.
Antipatros selbst hatte sie von Pella herbegleitet; sein Sohn Kassandros war dabei, ebenso Hektor, der dritte Sohn von Parmenion. Aristoteles hatte die Jungen begrüßt und eine kleine Rede gehalten, als sie im Halbkreis vor ihm standen, vor dem Nymphaion, einige mit scheinbarer Gelassenheit, andere bereits mit jenem Ausdruck des Hochmuts, der ihrer edlen Geburt entsprach und den es zu mindern galt.
» Da ihr alle edelbürtig seid, kennt ihr eure künftige Verantwortung gegenüber dem König und dem Volk. Es wird euch daher eine Freude sein, für die Dauer eures Aufenthalts hier gewisse Verantwortungen und Arbeiten auf euch zu nehmen, angeleitet von mir und anderen Lehrern, deren notwendige Strenge euch immer daran erinnern mag, daß nur der wirklich herrschen kann, der zu gehorchen gelernt hat. Das Fehlen von Leibdienern, Salbmeistern und anderen Helfern ist ein Vorzug, der euch bilden und später über jene erheben wird, die niemals gelernt haben, ohne solche Krücken zu leben. Die Diener und Sklaven des Nymphaion sind nicht euch unterstellt; sie unterstehen mir und den anderen Lehrern. Ihr werdet ihnen keine Befehle erteilen; sie werden von euch keine Befehle entgegennehmen. Alle Arbeiten außerhalb des Haushalts, sofern sie nötig sind, werden von euch getan. Später, als
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