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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ihn, indem er ein abgewandeltes Lied Sapphos sang.
    Einer sagt: die Reiter; der zweite: Fußvolk;
    jener: Schiffe seien das Schönste auf der
    weiten Erde. Ich aber will euch sagen:
    das, was man lieb hat.
    Mit ein wenig Denken kann dies auch jeder
    leicht verstehen. Helena, allerschönste
    aller Frauen, wollte als ihren Mann den
    tapfersten Helden,
    der das stolze Troja von Grund auf tilgte.
    Nicht der Tochter, nicht der geliebten Eltern
    dachte sie, nein, Kypris verführte sie durch
    innige Liebe.
    Meiner Lydia wogendes Schreiten, ihre
    lichten Augen möchte ich lieber sehen
    als der Lyder Streitwagen und ihr
    waffenstarrendes Fußvolk.
    In einer anderen Schänke pries ein Mann die Beharrlichkeit des Demosthenes, der unzugänglich für die Reize des Eros oder jenes neuen Apollon auf dem Stolz Athens bestand.
    Dymas rief: » Laß mich dazu ein Lied singen, Freund; wie wir wissen, fand ja heute etwas im Theater des Dionysos statt. Ich habe hier ein leicht abgewandeltes Gebet des großen Anakreon an Dionysos.« Dann sang er.
    Herr, dem Eros, der junge Stier,
    dunkeläugiger Nymphen Schwarm
    und sogar Antipatros
    scherzend folgen, der weithin auf
    hohen Bergen dahin du schweifst,
    herzlich bitte ich dich: O komm,
    komm zu uns und erhöre mein
    heißes Flehen in Gnade!
    Dem Demosthenes rate gut,
    laß, Dionysos, redlich ihn
    diese Liebe erwidern!
    Auf dem kleinen Platz vor einer belebten Schänke ließ Dymas sich nieder, trank Wein und hielt die Kithara auf dem Schoß. Jemand stand auf und schmähte die Zecher, daß sie in der Stunde der Not ihrer Vaterstadt zu trinken wagten, statt zu den Waffen zu greifen. Dymas griff in die Saiten und sang.
    Die dunkle Erde trinkt den Regen,
    die Bäume trinken aus der Erde.
    Das Meer trinkt alle Ströme,
    die Sonne trinkt die Meere,
    der Mond trinkt Sonnenglanz.
    Athen, von Rednerworten trunken,
    trank Blut und tränkte Chaironeia.
    Nun trinkt das Volk begierig auch
    des Königssohns Schönheit und Licht.
    Warum willst du, von Zorn betrunken,
    mir diesen milden Trank verwehren?
    Aber dieser Redner schien echt zu sein. Als sich Beifall und Gelächter gelegt hatten, schrie er wieder los. Dymas ließ ihn eine Weile reden, dann stand er auf, die Kithara aufs Knie gestemmt, den Fuß auf einem Stuhl. Er klemmte den beweglichen Hornbogen, mit dem er die Stimmung aller Saiten zugleich erhöhen konnte, fast über die Mitte der sieben Spielsaiten, schlug einige schrille Unharmonien und sang.
    Was soll ich mit dir machen,
    schwatzhafte Eule du?
    Bei deinen leichten Flügeln
    dich packen und sie stutzen?
    Soll ich etwa die Zunge
    aus deinem Schnabel reißen?
    Im Traum liebt’ ich Eirene,
    so wonnevoll verstöpselt,
    und fast wär ’s mir gekommen,
    da weckt mich dein Gezeter!
    In der letzten Schänke schließlich, in der ein halb betrunkener Mann ein weiteres Lob auf Demosthenes in die Nacht schrie, brüllte Dymas ihn mit mächtiger Stimme nieder und sang.
    Könnte man jedem Menschen öffnen die Brust,
    gründlich zu wägen des Herzens Inhalt und Wesen,
    und zum Freund jenen wählen, der ohne Falsch ist –
    ach, wie einsam wäre Demosthenes dann!
    Er legte die Kithara fort, trank, nahm lächelnd die Beifallsbekundungen entgegen. Ein alter Bekannter trat an seinen Tisch.
    » Nett. Außerdem die Wahrheit. Ich hab dich aber noch nie so laut singen hören.«
    Dymas nickte. » Ich hatte auch noch nie einen Grund, so laut zu singen.«
    » Welchen Grund denn?«
    » Freiheit.«
    Ein halbes Dutzend Reiter, gefolgt von vielleicht fünfzehn Sklaven und Dienern, näherte sich einem kleinen Lager, das fast auf dem Strand errichtet war, zwischen der hellen herbstlichen See und den braunen Hügeln. Philippos der Heiler glitt von seinem Falben und wandte sich an einen der leichtbewaffneten Posten; der Mann lehnte an einem Felsen und aß eine Stopfwurst.
    » Nee, wir machen hier nur ein bißchen sauber. Paar Verwundete und Streuner, das Übliche. Durchgang, zwischen Philipp und Pella.«
    Philippos suchte zwischen den Zelten und Hütten und fand schließlich Drakon, der vor einem der größeren Zelte verwundete und fußkranke Makedonen versorgte, vielleicht fünfzehn oder zwanzig. Aus dem Lager führten schwere Karrenspuren nach Norden, wurden zu einem dünnen Strich und verschwanden in den Hügeln. Drakon kaute auf einem Zweig von irgendeinem Obstbaum und betrachtete das Gemächt des Hopliten Emes, der ein dumpfes Ächzen hören ließ, als der Arzt unabsichtlich mit dem hängenden Ende des Zweigs die Wunde

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