Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Säge…«
Drakon feilte immer noch. » Also Friede und Freundschaft? Und ein hellenischer Bund?«
» Und alles, was Philipp je haben wollte. Dank Alexander. Woher hast du diese Säge, Mann? So was Feines hab ich noch nie gesehen.«
» Hast du unterwegs gute Zähne gefunden?«
Philippos hob die Hände über den Kopf. » Hör doch mit deinen Zähnen auf, sonst schlag ich sie dir aus. Gib mal her, das Ding. Oooh, wirklich wunderschön. Die beste Arbeit, die ich je gesehen hab. Muß doch ein Vergnügen sein, damit einen Knochen abgesägt zu kriegen.« Er untersuchte den Elfenbeingriff; erhaben, in feinsten Umrissen, waren darauf Elefanten zu sehen, ein Pferdekopf, Palmen, Frauen mit steilen Brüsten, am Knauf das Zeichen der Göttin Tanit.
» Kommt aus Karchedon.« Drakon streckte die Hand aus und nahm die Säge wieder an sich. » Gute Arbeit, stimmt. Und scharf.«
» Karchedon? Im Westen, in Libyen? Wie kommt das hierher?«
» Hat ein athenischer Arzt mir gegeben. Nach der Schlacht, als wir zusammen die Trümmer beseitigt und geflickt haben.«
» Geschenkt? Oha. Muß aber doch kostbar sein.«
Drakon grinste. » Na ja, nicht richtig geschenkt. Sagen wir, er hat sie verloren.« Er nahm eine andere Säge, hielt sie hoch: ein scheußliches Raubtier, rostig, schartig, mit stumpfen und abgebrochenen Zähnen. » Genauer gesagt, er ist umgefallen. Ohnmächtig geworden, als er gesehen hat, wie ich damit ein Bein abschneide. Dabei hat er seine Säge verloren.«
Im Winter wurde der Korinthische Bund begründet; Philipp und die hellenischen Staaten mit Ausnahme Spartas schlossen eine Symmachie, den ewigen Bundesvertrag zur Erhaltung des allgemeinen Friedens. In Korinth wurde ein Bundesrat eingerichtet, das Synedrion, bei dem alle beteiligten Staaten Gesandte und Bevollmächtigte unterhielten; Philipp wurde zum Hegemon und Bundesfeldherrn bestimmt. Die Mitglieder sicherten einander innere Autonomie zu sowie Wahrung der jeweiligen Verfassungen durch ein allgemein gültiges Verbot gewaltsamer Umwälzungen. Der Bund beschloß den Rachefeldzug gegen Persien, mit Philipp als allein bevollmächtigtem Strategen, mit Heeresfolge der hellenischen Staaten, mit Einsatz der athenischen Flotte zur Unterstützung des hauptsächlich makedonischen Landheers.
» Philipps Traum«, sagte Aristoteles. » Die Einheit der Hellenen, das Ende der ewigen Bruderkriege. Aber zur Vorbereitung des Kriegs gegen den Großkönig blieb noch vieles zu tun. Und dabei hat Alexander einen seiner zwei großen Fehler gemacht.«
» Was wäre der andere?« Peukestas runzelte die Stirn. » Ich weiß nur von diesem einen.«
Aristoteles lachte leise. » Beide haben mit den Barbaren zu tun. Sein größter Fehler war, daß er versucht hat, die Barbaren wie Hellenen zu behandeln, eine Verschmelzung zweier Dinge zu bewirken, die nicht zu verschmelzen sind. Sein erster Fehler, damals, ging in die gleiche Richtung.«
Er selbst sei in Stageira gewesen und habe nichts unmittelbar gesehen oder erlebt, aber die guten Beziehungen zu den ehemaligen Schülern und zu Antipatros hätten ihn später in Kenntnis gesetzt– in Kenntnis von vielen Dingen, die nicht unbedingt allen Chronisten bekannt gewesen seien.
» Es ist unverständlich– wenn man nicht einige Dinge berücksichtigt. Alexander wußte immer sehr wohl, was er wert war. Du kennst die Geschichte, nehme ich an, von seiner Antwort, als man ihm vorschlug, bei seiner Schnelligkeit und seinem vorzüglichen Umgang mit Pferden solle er doch bei den Wettkämpfen von Olympia teilnehmen. Er wollte nicht; er sagte, sich im Feld zu messen sei eine Sache, da seien alle Männer gleich, aber im Spiel und im Wettkampf gebe es Unterschiede, und da er es in Olympia nicht mit Wettkämpfern königlichen Ranges zu tun haben werde, wolle er weder sich noch die anderen beschämen. Ähnlich war es ja auch, als er bei seinem letzten Aufenthalt in Korinth, als das Synedrion ihn zu Philipps Nachfolger als Hegemon machte, dem kynischen Lästerer Diogenes begegnete.«
» Lästerer?« Peukestas schüttelte den Kopf. » Du erstaunst mich, Aristoteles. Ich… er gilt doch als großer und wichtiger Denker, als Philosoph.«
Aristoteles grunzte matt und tastete nach der Hand seiner Tochter. » Ein Schluck Wein, Kind.– Danke. Philosoph? Sokrates hat gefragt, ob es Tugend gebe. Platon hat versucht, den Menschen vorzuschreiben, was sie als Tugend zu verstehen hätten. Ich habe versucht, Listen aller Kenntnisse anzulegen, auch aller Vorgänge, die
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