Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
aufzubrauchen. Harpalos der Hinkende konnte bei vielen Dingen nicht mitmachen; für die anderen gab es zu wenig zu tun. Sie rannten um die Wette, kleine Strecken im Tal oder große Strecken über die Hügel und durch die ausgespülten Klüfte; sie rangen, droschen mit klobigen Schwertern aufeinander ein, stemmten Steine, bauten Häuser und rissen sie wieder ab. Die Beziehungen zu den Einheimischen waren unterschiedlich. Alexander war umgänglich– Könige können sich Herablassung leisten. Nearchos ging alles mit kretischer List und Freundlichkeit an. Die makedonischen Fürstensöhne dagegen nahmen hin, was man ihnen darbot, und taten, was zur Behebung ihrer Langeweile nötig war; ansonsten wahrten sie eine anmaßende, hochfahrende Ferne.
Es war Nachmittag, als der Korinther das Dorf erreichte. Er entlohnte seinen Führer, der sich sofort auf den Heimweg machte; dann besichtigte er die Gebäude.
» Gute Arbeit habt ihr geleistet. Wie war der Winter?«
» Trocken und warm.« Nearchos deutete auf den gemauerten Kamin. » Haben wir kaum gebraucht.«
Die Häuser der jungen Männer aus Pella hatten vielerlei Feinheiten aufzuweisen. Nearchos’ Haus, das er mit einer schlanken, hellblonden Illyrerin teilte, war aus Bruch- und Feldsteinen gebaut, mit Kalkmörtel befestigt und verfugt, innen mit mehreren Kalkfarben gestrichen; zwei Innenwände waren mit hellem Holz getäfelt. Die Decke, in dieser Gegend ansonsten unüblich, bestand aus dicken Balken mit einer Bretterschicht, das Dach aus flachen Steinen und Holzschindeln auf einem Lattengerüst, ebenfalls mit Kalkmörtel. Es gab einen doppelten gemauerten Rauchabzug, für den Kamin und den teils gemauerten, teils aus Metallplatten bestehenden Herd. Das breite Bett– ein niedriges Holzgestell, mit Leder bespannt und mit Decken und Fellen belegt– stand etwas erhöht auf einem Sockel aus kleineren Steinen und Mörtel. Felle und grobe Knüpfarbeiten aus Schilf bedeckten den übrigen Boden, fein verfugte flache Steine. An zwei Wänden standen Regalgestelle mit Lederrollen und Hausrat.
» Und ein großer Dank an Aristoteles«, sagte Nearchos, der Demaratos’ Blicke mit einem Lächeln verfolgte. » Er hat uns all dies gelehrt. Dabei haben wir so oft geächzt, weil wir gar nicht wissen wollten, wie man eine Töpferscheibe baut oder ein Tierfell enthaart, reinigt, spannt, trocknet, mit Stein und Kreide glättet, um anschließend darauf zu schreiben. Wir hatten ja Papyros– aber hier oben ist der Einzelhandel mit ägyptischen Einfuhrgütern schlecht entwickelt.«
» Was ist mit den Lederrollen?«
Nearchos ging zu einem der Regale und zog eine Rolle heraus. » Zeichnungen und Berechnungen. Und ein paar Versuche, in attischer Kurzschrift über Vorfälle zu berichten.«
Demaratos betrachtete die Zeichnungen auf der Haut; sie waren übersichtlich, genau und reich an Einzelheiten. » Eine Art Ofen, wie?«
» Ein Kalkofen.« Nearchos deutete mit einer Kopfbewegung nach draußen. » Steht am Fuß des Hügels, an der Nordseite. Komm, sieh dir die anderen Häuser an.«
» Was habt ihr denn sonst noch so gebaut hier oben?«
Während sie den Rundgang machten, erzählte Nearchos von den kargen Anfängen und den Labyrinthen der Langeweile. » Wir haben natürlich zuerst mal versucht, ein trockenes Haus zu kriegen. Für alle. War ein bißchen eng, vor allem, als dann die Mädchen dazukamen. Und gelegentlich ein bißchen laut. Also mehrere Häuser. Hausrat – es gab hier nur unsägliche Dreckpötte; also haben wir angefangen, in der Umgebung nach brauchbaren Böden zu suchen, mit Dank an Aristoteles, und dann fing das Töpfern an, mit kleinem Brennofen und allem, was dazugehört.« Inzwischen hatten sie eine kleine Schmelze und eine Schmiede, eine Gerberei, einen ersten Webstuhl, danach ein paar verfeinerte und verbesserte; die Stelle am Rand des alten Dorfs, wo die Häuser standen, war mit Walzen eingeebnet worden; von der Quelle weiter oberhalb hatten sie eine mit Platten abgedeckte Wasserleitung zum Platz zwischen den Gebäuden gezogen, die dort in einem Becken mit mehreren Trögen und einem Abfluß endete.
Und sie hatten die Gegend erforscht. Erigyios und Alexander hatten Karten gezeichnet, lange Gewaltmärsche zu Fuß unternommen, bei denen sie eine Holzperlenkette trugen und für jedes mit geübten, gleichmäßigen Schritten zurückgelegte Stadion– zweihundert Schritte– eine Perle abzählten. Mit Laomedons Hilfe hatte Alexander lange Gespräche mit den Alten geführt, um
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