Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
ihnen.
Parmenion, schlagartig nüchtern und überlegen, starrte in Alexanders Gesicht. » Sohn, das war sehr gut. Es war aber auch sehr schlecht.«
Alexander hob den Kopf ein wenig mehr. » Wie meinst du das?«
Parmenion grinste. » Attalos ist eine Sau. Ich weiß es; er ist ja mein Schwiegersohn, und du hast recht, man soll sich seine Verwandten besser aussuchen. Ein Jammer, daß man ihn nicht in Pferdekotze ertränken kann. Ich fürchte, ich werde ihn mitnehmen müssen.«
Kleitos war mit Perdikkas und Koinos fertig; beide verschwanden im Laufschritt. Er wandte sich Parmenion und Alexander zu und nickte. » Parmenion hat recht.«
» Ich verstehe nicht…«
Parmenion verschränkte die Arme und lehnte sich an eine Säule. » Du mußt aus dem Weg. Sofort. Nimm ein paar Freunde mit– aber laß Hephaistion hier. Philipp wird das verstehen– du bist verärgert, aber nicht sein Feind. Geh nicht zu Philipps Feinden, Junge: nicht nach Persien, nicht nach Athen. Und bei allen Göttern, geh nicht zu deiner Mutter nach Epeiros. Verlaß das Land, bis er nach dir schickt.«
» Meinst du, er wird nach mir schicken?« Alexander klang ungläubig.
Kleitos hüstelte. » Ich geh rein, nach dem Rechten sehen. Falls…« Er legte die Hand auf Alexanders Schulter; dann umarmte er ihn kurz.
Parmenion sah plötzlich alt aus, uralt und besorgt. » Er liebt dich doch, Junge. Er wird dich zurückholen wollen, sobald… sobald das hier vorbei ist. Zuerst muß er Attalos loswerden. Natürlich. Bleibt wohl an mir hängen; ich werd ihn vermutlich mit nach Asien nehmen müssen. Halt die Ohren offen, Sohn. Und, wie gesagt– laß Hephaistion hier. Vielleicht kann er Philipp weichklopfen.«
Alexander nickte langsam. » Du bist weise. Ich will tun, was du sagst, Parmenion– mein Vater.«
Parmenion lächelte mühsam und umarmte Alexander. Kleitos tauchte plötzlich wieder auf, mit einem schrägen Grinsen.
» Er ist der Herr, auch wenn er betrunken ist. Er weiß genau…«
» Was sagt er?« Parmenion runzelte die Stirn.
» Alexander ist verbannt, mit seinen besten Freunden. Harpalos, Nearchos, Ptolemaios, Erigyios, Laomedon. Ausdrücklich diese fünf. Ebenso ausdrücklich haben alle anderen hierzubleiben, vor allem Hephaistion.«
Pythias war vor einiger Zeit in die Küche gegangen, um ein Nachmitternachts-Mahl zu bereiten. Der Duft von Fleisch, Fett und Gewürzen zog durchs Haus. Aristoteles schnupperte und unterbrach seine Erzählung. Zwei der Öllämpchen erloschen gleichzeitig; da auch das Feuer fast niedergebrannt war, schien der Raum erfüllt von tanzenden Dämonenschatten.
Peukestas stand vom Schemel auf und streckte sich. Mit knurrendem Magen blieb er einen Moment neben dem Lager des Sterbenden.
» Du mußt dich eingesperrt fühlen.« Aristoteles, eingesunken zwischen Decken und Fellen, schrumpfte und dehnte sich wieder aus, als die Flämmchen der letzten Lampen flackerten. » Krieger lieben die frische Luft, wie man sagt.«
Peukestas kauerte vor der Feuerstelle, legte Holz und Rollen nach, blies und hustete, als Asche aufflog. » Die Nächte unter freiem Himmel.« Er hustete noch einmal. » Es ist ein wenig stickig hier.«
» Öffne das Fenster. Vielleicht hilft es.«
Der Makedone nahm den Rahmen aus der Öffnung; die Nachtluft aus dem kleinen Innenhof war schal und bestenfalls lau, aber erfrischend im Vergleich zur Luft im Raum, die nach Wein roch, nach Krankheit, wucherndem Tod und längst verzehrten Speisen. Die neuen Düfte aus der Küche konnten sich erst jetzt richtig entfalten.
Pythias brachte drei flache Tonschalen; darin schwammen kleine schwarze Würste, nicht in Öl, sondern in Schweinefett gebraten, mit Zwiebeln und Lauch. Aristoteles fühlte sich kräftig genug, um aufrecht zu sitzen, viele Kissen und Decken im Rücken, und ohne Hilfe zu essen. Als sie fertig waren, trug Peukestas die Schalen in die Küche; Pythias füllte die Öllämpchen auf, durch spitze Bronzetrichter, zündete sie an und setzte den Rahmen wieder in die Fensteröffnung.
» Vieles von dem«, sagte Aristoteles, » was in dieser Zeit geschah, weiß ich von Demaratos dem Korinther. Ein alter Freund, Gastfreund Philipps, Freund und Begleiter Alexanders.«
» Ich weiß. Ich habe ihn gekannt. Nein, nicht gekannt; dazu war ich zu weit weg von der Mitte der Macht. Aber ich habe ihn gesehen. Ein tapferer Mann.«
Aristoteles lächelte. » Fürwahr. Er muß damals etwa so alt gewesen sein wie ich heute. Er hat die Aussöhnung zwischen Philipp und
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