Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Alexander bewirkt; später ist er mit nach Asien gegangen. Trotz seines Alters. In der ersten großen Schlacht hat er an Alexanders Seite gekämpft. Er ist dann, glaube ich, irgendwo in Persien gestorben, kurz vor dem Aufbruch nach Indien, nicht wahr?«
» Alexander hat ihn prachtvoll geehrt, mit einer Feier und einem riesigen Grabhügel. Aber der war leer; die Gebeine von Demaratos hat der König nach Korinth heimführen lassen.« Peukestas ließ sich wieder auf dem Schemel nieder. » Ich habe wenig davon mitbekommen; es war die Zeit meiner Verwundung und Krankheit. Der Grund, weshalb ich nicht mit nach Indien gezogen bin. Ich habe das Fest nicht gesehen, nur den Hügel. Du hast ihn gekannt– Demaratos?«
» Aus Pella, ja. Er war Gastfreund bei Philipp, wie gesagt; aus dieser Zeit kannten wir uns. Wir haben viele gute, lange Gespräche gehabt. Von jener kostbaren Art, die ohne persönliche Vertraulichkeiten die Stunden zwischen Sonnenuntergang und Morgengrauen erfüllt.«
» Wo warst du, als es zu diesem Zwist kam zwischen Philipp und Alexander?«
» Ich war dabei.« Aristoteles lachte halblaut. » Ich war einer der geladenen Gäste. Damals, Peukestas, vor fünfzehn Jahren, ließ mich bisweilen die Weisheit im Stich. Als der Streit ausbrach, konnte ich nur zusehen; ich lag in einer Ecke, auf einer mit Fellen gepolsterten steinernen Liege, betrunken– zu betrunken, um aufzustehen und etwas zu sagen, was doch keinem genutzt haben würde. Demaratos war auch dabei. Wir sind dann zusammen nach Mieza geritten und haben überlegt, wie der Bruch zu heilen wäre. Später hat er mir von seiner Reise nach Illyrien erzählt.«
Irgendwo in den öden, grauweißen Steinwüsten Illyriens begriff Demaratos, was Karst bedeutete. Bisher hatte er sich unter dikella steinige Ebenen vorgestellt, ohne Wasser, ohne Grün, ohne Menschen. Nun ritt er mit zwei Dienern und wechselnden illyrischen Führern über knirschenden Boden, flechten- und grasbedeckten Kalkstein, in dem sich immer wieder Trichter öffneten. Einer der Führer brachte ihn abends, nach einem langen Gespräch in Fetzen mehrerer Sprachen, zu einem unterirdischen Fluß, der alle Rede übertönte und das Licht der Fackeln blitzend brach. Er aß mit Dorfbewohnern, die an einem kleinen See wohnten und behaupteten, es sei dies eine riesige Quelle. Er zog über Flächen, die immer wieder aufgebrochen waren, durchfurcht wie von Götterkarren. Alle zwei Tage erreichte er das Gebiet eines anderen illyrischen Teilfürsten; mit jedem mußte neu verhandelt werden.
Die Verbannten hausten im allerletzten Dorf auf dem allerletzten Hügel der bewohnbaren Welt, zwischen Ziegenhirten und wilden Kräutern. Die aus Bruchsteinen aufgetürmten, mit Soden und Rindestückchen gedeckten Hütten sahen scheußlich aus. Bei näherer Betrachtung stellte Demaratos jedoch fest, daß er weit Schlimmeres gesehen und erwartet hatte. Sieben der Hütten waren in erträglichem Zustand: die Arbeit von Alexander, Ptolemaios, Erigyios, Laomedon, Nearchos und Harpalos. Der illyrische Gebietsfürst ehrte die Gäste, den Sohn des fernen furchtbaren Philipp und seine Gefährten, indem er ihnen für die Dauer ihres Aufenthalts das Dorf und die Bewohner zu eigen gab und außerdem einige seiner Töchter sowie andere Mädchen sandte. Die Gäste ehrten ihren Gastgeber, indem sie sich der Illyrerinnen erfreuten, die Häuser bewohnbar machten und aus Langeweile nützliche Dinge taten. Laomedon, der angeblich eine fremde Zunge zu verstehen und zu sprechen begann, wenn er nur zehn Atemzüge lang hatte lauschen dürfen, sprach tatsächlich fließend den örtlichen Dialekt, soweit Demaratos dies beurteilen konnte. Auch hatte er inzwischen Alexander und Ptolemaios die Grundzüge des Persischen gelehrt. Erigyios und Nearchos bauten Karren, besserten Häuser aus, ersetzten die schwachen Holzbögen der Hirten durch zusammengesetzte Waffen von großer Durchschlagskraft, mit denen man noch auf zweihundert Schritt einen Wolf oder anderes töten konnte. Harpalos, Mann der Zahlen und Waren und Märkte, hatte mit der Erschließung der Gegend für den Handel begonnen; im siebten Haus türmten sich Schnitzereien, Metallfinger, Salzsäcke, Felle, Sackpfeifen von angeblich erstaunlicher Klangfülle.
Im übrigen waren die jungen Männer rastlos. Lange Ritte, Erkundungszüge, nächtliche Orgien reichten nicht aus, den ungeheuren Tatendrang zu befriedigen und die scheinbar unerschöpfliche Energie vor allem von Alexander und Ptolemaios
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