Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
alles über die Heilkräuter und die Heilkunst der Illyrer zu erfahren. Ptolemaios war zum Waffenschmied geworden; seine Messer, Schwerter und Lanzenspitzen hatten in kürzester Zeit Ruhm errungen, nicht nur in diesem Dorf und den umliegenden, sondern auch weiter fort.
» Harpalos hatte ein paar gute Einfälle.« Ptolemaios kratzte sich die behaarte Brust und grinste breit. Er trug ein schlichtes illyrisches Obergewand mit halblangen Ärmeln; es wurde über den Kopf gestreift, hatte einen bis kurz oberhalb des Nabels reichenden Ausschnitt am Hals und endete in Höhe des Gemächts. Darunter trug er nur einen Schurz. Für seine Arbeiten und die langen Wege, die er wie die anderen zurücklegte, schien es besser geeignet als der übliche hellenische Chiton.
Demaratos betrachtete die Versammlung auf dem Platz zwischen den Häusern: junge, hagere, sehnige Männer, die sich wie Raubtiere bewegten; schlanke, schweigsame Frauen, die der Korinther keinesfalls schön, wohl aber feurig nennen mochte mit ihren kleinen Nasen, glimmenden Augen und schwieligen Händen; Sklaven, denen man das Staunen über die vielen Veränderungen ansah. Schlagartig fühlte er sich alt und verbraucht.
» Was für Ideen?«
Ptolemaios kaute auf der Unterlippe. Er hatte überlange Eckzähne, und die Kerbe im Kinn war fast eine Grube. » Ach, tausend Dinge. Das erste, was er gemacht hat, war, alles Geld einzusammeln, das wir bei uns hatten. Und dann hat er Geschäfte gemacht. Ich schätze, was den Wert der Waren angeht, die er hortet, sind wir heute zehnmal wohlhabender als im Herbst.«
Alexander kniff ein Auge zu. » Manchmal frage ich mich, ob Philipp sich mehr gedacht hat, als zuerst für uns sichtbar war.«
» Was meinst du?« Demaratos betrachtete den künftigen König der Makedonen, der in diesem Sommer zwanzig Jahre alt würde. Er war einen halben Kopf kleiner als die anderen, schmächtiger, aber jede Bewegung verriet harte Muskeln und unendliche Energie. Im Gesicht hatte sich etwas verändert; der Korinther konnte es nicht gleich benennen. Es waren keine Linien oder Runzeln, dazu war das Gesicht immer noch zu jung. Etwas wie neue Umrisse unter dem Fleisch, eine unerwartete und unbeugsame Härte, wie unter lieblichen Pflanzen verborgene Steinwälle.
» Vielleicht hat er uns einen Gefallen getan.« Alexander führte seine rätselhafte Rede nicht weiter aus; er nickte einer Illyrerin zu. » Reden wir später darüber. Wir wollen das Festmahl vorbereiten, zu Ehren des weitgereisten Gastfreundes Demaratos.«
Er ging zu einem Gestell an der Südseite seines Hauses; dort standen mehrere Tongefäße unterschiedlicher Größe. Er hob eines herunter, rührte mit einem Holzlöffel darin und goß durch ein Tuch, das die Frau spannte, eine dunkle Flüssigkeit in einen kleineren Topf. Im Tuch sammelten sich allerlei Dinge– Kräuter, Bröckchen, zerfallene Reste von Tieren, bei denen Demaratos nicht wußte, ob er genau wissen wollte, was es einmal gewesen war.
Die anderen verteilten sich, um ihren Teil der Vorbereitungen zu erledigen. Der Korinther sah zu, wie Alexander das Tuch nahm, verknotete und auswrang; die restliche Flüssigkeit sickerte in den Topf. Die Illyrerin kam aus dem Haus, mit einem Schemel, Mörser und Stößel; sie setzte sich in die Sonne und zerkleinerte Salzbrocken.
» Magst du kosten?« Mit einem Lächeln hielt Alexander dem Korinther den Topf hin. » Du mußt wissen, ich bin hier der Kräuter- und Würzmeister.«
Demaratos tauchte den kleinen Finger in die schwarze Brühe und berührte seine Zunge. » Ahuuu.« Er schluckte und verdrehte die Augen. » Was… eine Art garon, oder?«
Alexander nickte. » Ein paar Flußfische, sehr kleine, und Eingeweide von größeren, mit Salz, tausend Kräutern, ein paar Tropfen vom hiesigen Wein, der scheußlich ist.«
» Ah. Ich habe chalkidischen Wein dabei. Darf ich ihn als meinen Beitrag zum Mahl anbieten?« Er klatschte in die Hände und befahl einem seiner Sklaven, den Schlauch herbeizubringen.
» Wir werden dir ewig danken.« Alexander senkte spöttisch den Kopf. » Zurück zur Tunke. Sie hat vier Monde in diesem großen Topf in der Sonne gestanden und vor sich hin gestunken. Das Wichtigste sind zerstoßene Iriswurzel und Thymian.«
» Laß mich nochmal…« Demaratos kostete erneut; diesmal war er vorsichtiger. » Also, hm, ein bißchen scharf, aber eigentlich nicht schlecht. Iris, wie?«
» Sie ist hier sehr gut, sehr kräftig.«
Die Sklaven schleppten Schemel und Tische aus
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