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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Krähen sein mochten, stürzende Geier, Strudel über einem sinkenden Schiff.
    Jemand brachte ihm Wein in einer Lederflasche. Dymas lächelte, nickte, unterbrach das Spiel und trank. An einem der nächsten Feuer, umrissen von den Flammen und dem Widerschein des Sonnenuntergangs, sah er den kraftvollen Krieger, der morgens im Theater Makedoniens Volk in Waffen vertreten und das Königsschwert weitergereicht hatte. Dymas wäre niemals ins Theater gekommen, ohne die Hilfe von Demaratos; auf einem der hintersten, höchsten Ränge war er Zeuge geworden.
    Eine schlanke, fast zerbrechliche Gestalt in einer dunklen Decke, die das Gesicht verhüllte, kam langsam von der Stadt her, taumelnd und stockend, ließ sich dann ein wenig rechts von Dymas neben einem Nußgesträuch nieder.
    Der Musiker nahm noch einen Schluck; dann spielte er wieder. Zu einer trüben, schweren, lydischen Melodie, die sich immer neu verwandelte, umkehrte, zurückfand zum Beginn, sang er Verse, die er in Athen von einem heimwehkranken Skythen gehört hatte; auch sie kehrten immer wieder.
    Steppenwind, hartes Gras, wirbelnde Hufe im Abend.
    Fern vom Lachen der Liebsten erstick ich in Städten.
    Plötzlich sprang der große Hoplit auf und kam näher. Er legte die Pranke über die Saiten; der Mann stank nach Wein und Entsetzen.
    » Spiel für den toten König«, schrie er. » Ein Klagelied für Philipp.«
    Dymas blieb sitzen. » Ein Klagelied? Gut, aber nicht für deinen König, Freund, den ich nicht gekannt habe. Eines für einen anderen Toten– für alle Toten.«
    Der Krieger hockte sich nieder, mit verzerrtem Gesicht. Dymas begann mit dem seltsamen Lied der ägyptischen Ruderer, ging in anderem Rhythmus zu einer Klage für Kleonike über.
    Totentanz Ruderhand
    fahr ich zur Unterwelt
    ruh ich mich endlich aus
    brech ich den Rudergriff
    tanz ich den Totentanz
    Äxte und Hämmer im Hof, bald bilden sie Kreise.
    Söldner frösteln um Feuer im rötlichen Dämmer.
    Niemandsland Nacht, besetzt von Schlangen und Dolchen.
    Meine gelehrigen Vögel hab ich gegessen,
    meine Götter brannte man mir in den Leib.
    Noch verhüllt die Nacht mich und die gräßlichen Spiegel.
    Bald erbricht sich der Tag über meinen Kadaver;
    Tag, der Wände verschärft und Gedanken verwischt –
    Totentänze des Morgens, Krähenkreise.
    Totentanz Ruderhand
    Steppenwind hartes Gras
    Totentanz Ruderhand …
    Der Hoplit richtete sich mühsam auf und hob die Hand, in der ein Messer blinkte. » Spiel für den König!« schrie er.
    Dymas zog ein Knie an sich, bereit, sofort aufzuspringen. Die Rechte ließ die Kithara los und faßte nach dem Messer im Gürtel. » Musik, Freund, gehorcht nicht deinen Befehlen– nur meinen.«
    Die schmächtige Gestalt bei dem Nußstrauch schien durch die Luft zu fliegen; eine Hand griff nach der des Kriegers und bog sie zurück. Der Hoplit ächzte.
    » Friede, Emes.« Die Decke glitt vom Kopf und enthüllte das Gesicht Alexanders. » Spiel weiter, Musiker– deine Musik. Gegen die Nacht.«
    Wie die meisten Hochzeitsgäste verließen die Athener Aigai noch am Tag des Mordes. Die zwangsläufig folgende innermakedonische Auseinandersetzung war nicht ihr Geschäft, um so mehr aber die Erschütterungen, die die Ereignisse in Athen auslösen würden.
    Demades war überrascht und beinahe glücklich, als Hypereides in der Versammlung den heftig fuchtelnden Demosthenes unterbrach.
    » Das ist alles Unfug. Es mag ja sein, daß du innigste Kenntnisse geheimster Vorgänge besitzt. Es würde mich im übrigen durchaus erfreuen zu erfahren, wieso du, wie ich hörte, am Tag der Ermordung bereits davon wußtest. Aber, ah, lassen wir das jetzt.«
    Hypereides kratzte sich den Kopf und rieb sich die Augen. Sie waren sehr schnell gereist, in acht Tagen von Aigai nach Athen; die Mühen des Ritts hatten den Umfang des Politikers vermindert, und sein Gesicht war grau und eingefallen. Aber die Stimme trug und schnitt, wie eh und je.
    » Du sagst, wir sollten Alexander vergessen. Ein dummer Junge, ein Einfaltspinsel. Mag sein. Es mag auch sein, daß die Makedonen nicht ihn, sondern diesen Amyntas zum neuen König machen. Ich bezweifle es. Aber«– er wandte sich an Demades– » wir haben ihn ja gesehen, als das Schwert überreicht wurde. Wir haben gesehen, mit welcher Gier Amyntas es betrachtet hat. Wer die Macht will, wer sie so gierig will, wird sie auch verwenden. Wie du allzu gut weißt, Demosthenes.«
    Er wartete ungerührten Gesichts, bis das Gekicher der Versammlung endete.
    »

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