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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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aber du mußt! Du mußt über vieles reden und entscheiden, Junge. Du kannst dich nicht verbergen.«
    Aristoteles nickte. » Was Antipatros sagt, ist die Wahrheit. Du stehst im hellsten Licht, Alexander. Aller Augen sind auf dich gerichtet. Keine Höhle, keine Nische. Selbst dein Schweigen ist hörbar, selbst dein Schatten ist grell.«
    Alexander stand auf, schob den Stuhl zurück und ging zum Fenster. Er verschränkte die Arme, schob die Hände unter die Achseln. » So kalt«, murmelte er.
    Drakon, der in der Ecke neben dem kopron lehnte, hustete. » Sollen wir Feuer machen?«
    » Es ist nicht der Raum.« Demaratos klang fast mitleidig. » Es ist kalt und einsam, da oben.«
    » Wäge es ab– mit deinen inneren Schalen.« Aristoteles wühlte in seinem Bart. » Parmenion und Antipatros. Kleitos. Antigonos. Demetrios. Medios. Das Heer. Alexandros der Lynkeste, der sich von seinen Brüdern losgesagt und sich dir zu Füßen geworfen hat. Demaratos. Deine Gefährten. Bedenk, was Philipp getan hat. Bedenk, was auf dem Spiel steht. Erwäge das Gelächter des Demosthenes und den Jubel der Perser.«
    » Und denk an die Grenzen«, sagte Antipatros eindringlich, fast flehend. » Wenn Pella wankt, wird der Bund von Korinth zerbrechen. Athen wird seine langen Arme ausstrecken, Theben wird sich anschließen. Die Illyrer, die Paionen, die Thraker, die Triballer. Sie alle wissen inzwischen, daß Philipp nicht mehr lebt. Es muß…«
    Alexander ächzte. » Können wir das nicht bis morgen aufschieben? Wenigstens bis morgen?« Er wartete nicht auf eine Antwort; mit hängenden Schultern ging er zur Tür und verschwand.
    Sie sahen einander an, ratlos. Demaratos stand auf; er nickte Drakon zu. Der Arzt verdrehte die Augen und ging hinaus. Der Korinther stülpte die Lippen vor, bis die Nase fast im Schnauzbart versank.
    » Ich mag es eigentlich nicht. Aber es muß wohl sein. Vergeßt, was ihr jetzt seht.«
    Er ging zur Wand, wo neben dem flachen Altar sein Lederbeutel stand, und holte einige Dinge heraus. Die anderen sahen ihm zu, mit fragenden, staunenden oder gleichmütigen Blicken.
    Der Korinther hielt Knochenplättchen hoch; einige waren flach, andere gewölbt. Er legte sie auf den Altar, murmelte etwas, bückte sich, zog ein Tuchbündel und eine kleine Holzdose aus dem Beutel. Dann verwandelte er sich.
    Er schob die flachen Scheibchen in seine Sandalen, die gewölbten in den Mund; er zog den Chiton aus, streifte den Leinenschurz auf die Oberschenkel hinab, schob ein tuchumwickeltes Plättchen zwischen die Beine, unmittelbar unter dem Gemächt; er zog den Schurz wieder hoch, rollte den weißen Chiton zusammen, nahm einen mit hellroten Streifen gesäumten braunen Chiton, zog ihn über den Kopf, stopfte den zusammengerollten hellen darunter, vor den Bauch; er musterte seine schlanken, kaum vom Alter gezeichneten Finger, öffnete die Holzdose und nahm Schmuckstücke heraus: drei Ringe mit schweren Steinen für die linke, zwei für die rechte Hand, ein Ohrgehänge aus Gold und roten Steinen, das er im rechten Ohrläppchen befestigte, wo keiner je ein Loch gesehen hatte. Er öffnete das Lid eines Bronzedöschens, berührte den Inhalt mit den Spitzen der Zeigefinger, fuhr sich durchs Gesicht; er klappte das Döschen zu, nahm ein anderes, rieb sich etwas in die grauschwarzen Haare und den Bart. Er bückte sich wieder, stopfte die überzähligen Dinge in den Beutel und hielt einen gelben Umhang hoch, den er über der rechten Schulter mit einer Spange schloß. Dann drehte er sich um.
    Der drahtige, angegraute Händler aus Korinth war verschwunden. Ein Mann mit breitbeinigem Watschelgang und steifen Hüften kam zum Tisch. Haar und Bart waren graugesprenkeltes Rotblond, die Hängebacken glänzten fast fiebrig rot. Schmuck, Wanst und Gang lenkten allerdings völlig ab vom neuen Gesicht.
    Antipatros klatschte in die Hände; Aristoteles brach in Gelächter aus. Medios sagte nichts, aber seine Augen funkelten.
    Einige der jungen hetairoi, Offiziere der Burg, hohe und edle Diener des königlichen Hauses saßen, lagen, tranken und plauderten im großen Festsaal. Ringsum an den Wänden brannten Fackeln; in der Mitte loderte ein Feuer zwischen zwei Metallspiegeln, die es unendlich hin und her warfen. Eine Gruppe von Musikern mit Schellen, Rasseln, Lyren, Syringen, mehreren Sorten Flöten und einer Harfe war auf der erhöhten Plattform zugange; vor ihnen drehten sich einige halbnackte Tänzerinnen. Kleitos und Hephaistion bemühten sich vergebens,

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