Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Geschäfte; der schnelle karchedonische Kriegsruderer, der sie aufbrachte, stand unter dem Befehl eines Mannes, der Geld brauchte. Seine Kämpfer enterten das Schiff; einige Männer leisteten sinnlosen Widerstand, so auch Dymas’ Vater. Er starb unter den Schwertern der Westphöniker; sein Gesicht zeigte zuerst Schmerz, dann ein fast entrücktes Entzücken, die Erlösung von einem kummervollen Dasein; zuletzt, als er den Sohn anschaute, Bedauern und Sorge.
Die Überlebenden wurden in Hadrymes, einer Stadt an der Ostküste des Landes, von einem Sklavenhändler übernommen, der sie nicht lange behielt. Die Stärksten erwarb der Besitzer eines unterirdischen Steinbruchs im Norden; die jungen Frauen wurden an einzelne Käufer versteigert, die älteren Frauen und Männer und die wenigen Kinder nahm der Verwalter eines Guts im Hinterland. Es gehörte einem großen Kaufherren namens Adherbal, der viele Geschäfte und mehrere Güter besaß.
Zwei Jahre arbeitete Dymas auf den Feldern, säte und erntete Getreide, Obst, Gemüse. Die Arbeit war hart, aber erträglich insofern, als die Karchedonier mit Sklaven gewöhnlich sorgsam umgingen: Sie waren Gegenstände, die Geld gekostet hatten und mehr Geld einbringen konnten, wenn sie lange gesund blieben. Abends, an den Feuern, hörte Dymas tausend Geschichten– Lebensgeschichten, Lügengeschichten, Geschichten in Versen, in Liedern, in Tänzen. Er hatte ein gutes Gedächtnis und ein sicheres Ohr; oft genügte ihm einmaliges Anhören, um eine schwierige Melodie sauber nachzusingen oder ein langes Gedicht auswendig hersagen zu können. Außerdem war er geschickt mit den Händen. Der alte ägyptische Zimmermann des Guts, Sklave wie die meisten, die dort arbeiteten, sah ihn an einem Stück Zypresse herumschnitzen, beobachtete den Fortgang der eher zerstreuten Arbeit und sprach dann mit dem Verwalter des Guts.
Die nächsten zwei Jahre verbrachte Dymas in den Werkstätten. Er lernte die Hölzer und ihre Eigenschaften kennen, wurde vertraut im Umgang mit allen Werkzeugen, fertigte Truhen an und beschnitzte ihre Oberflächen mit Vögeln, Pferden und Palmen; er baute die kleinen, luftdicht schließenden Kästchen, in denen die Reichen ihre Salben aufbewahrten oder Schmuckstücke oder kleine Flaschen aus buntem Glas, die das ebenfalls auf dem Gut hergestellte gelbliche, wundersam duftende, hustentötende Zypressenöl enthielten.
Und er lernte weitere Sprachen. Hellenisch, seine Muttersprache, vergaß er nicht, denn unter den Sklaven waren viele Sikelioten wie er. Es gab auch Elymer, aus der sizilischen Urbevölkerung; ihre Sprache war sperrig, aber er brachte es zu einer gewissen Geläufigkeit. Ebenso schwierig erschien ihm anfangs das Westphönikisch der Herren und Aufseher, aber als er es wirklich beherrschte, liebte er die klangreiche, geschmeidige Sprache, die für Gesänge so gut geeignet war wie für tückisch gedrechselte Gemeinheiten und Doppeldeutiges. Der alte Zimmermann lehrte ihn Ägyptisch; von ihm lernte er auch, mit Duldung des Verwalters, die verschiedenen Schriftsysteme des Hellenischen, des Phönikischen und des Ägyptischen.
Ein alter Sikeliot, vor Jahrzehnten in Syrakus geboren und im Krieg zwischen Dionysios und Karchedon in Gefangenschaft und Sklaverei geraten, besaß eine Lyra, außerdem einen Doppelaulos aus feingebohrtem Zedernholz: zwei schlanke Röhren mit je vier Löchern oben für die Finger und einem unten, für die Daumen, einem beinahe eiförmigen Mundstück und Schilfrohrblättchen, die im Mund des Blasenden den Ton erzeugten, der in die Flöten gelangte und dort verwandelt wurde. Der alte Mann brachte ihm bei, auf der linken Flöte den passenden Grundton zu blasen und auf der rechten die eigentliche Melodie; er lehrte ihn die Kunst des Überblasens, der Mehrfachtöne und der Verzierungen; er zeigte ihm, wie man aus Schafsdärmen Saiten für die Lyra machte, welche Dicke sie haben mußten, wie man die vier Saiten stimmte und spannte und mit den Fingern spielte und veränderte; er unterwies ihn streng im Umgang mit den verschiedenen Tongeschlechtern, die er lydisch und phrygisch und hellenisch nannte und die Dymas, dem sie als unterschiedliche Ansichten der einen großen Musik erschienen, nicht vermischen durfte, wenn er nicht wollte, daß der Sikeliot ihn ohrfeigte und ihm die Instrumente wegnahm.
Manchmal wunderte er sich darüber, daß die Karchedonier ihn schreiben und spielen ließen; dann begriff er, daß es ihnen einerseits gleichgültig war–
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