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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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er mit Messer und Feuerstein schlug; wenn er keine Tiere erlegen konnte, lebte er von Beeren, Kräutern und Wurzeln.
    Eines Morgens erwachte er mit dem Gefühl des Unbehagens, dem Gefühl, daß etwas Unzulässiges geschehen sei. Er hatte schlimme Träume gehabt, war aber nicht beizeiten erwacht, um das Ärgste zu verhindern. Wölfe waren gekommen, später auch ein Bär; weniger als die Hälfte der Schafe blieb ihm. Die übrigen waren gerissen oder hatten sich auf der Flucht verlaufen; zwei oder drei tote Tiere sah er, als er in eine Schlucht hinabschaute.
    Es war Herbst, und Emes wußte nicht, wie er heimkehren konnte. Er ahnte den Zorn des Vaters und die Wut der Mutter, deren einzigen wertvollen Besitz die Schafe darstellten, neben ein paar anderen Tieren und dem winzigen Feld.
    Drei Nächte weinte und grübelte er; dann verließ er die steilen Schafweiden und ging in die Wildnis. Er machte einen weiten Bogen um das Dorf und erreichte die Straße etwa einen Tagesmarsch südlich. Auch die beiden nächsten Dörfer mied er, denn dort gab es Verwandte. Am fünften Tag holte er einen langsamen Händlerzug ein, der aus dem Norden zurückkehrte nach Makedonien– Obermakedonien, denn die Händler waren Lokrer und wollten durchs lynkestische Hochland hinabziehen nach Thessalien und dann heim.
    So kam Emes, der geflohene Schafhirte aus dem Dorf an der Grenze, als Pferdetreiber und Handlanger von Händlern weiter nach Süden, in einem Land, in dem das Gesetz des fernen Königs kaum etwas galt.
    In der Lynkestis, dort, wo die Straßen von Nord nach Süd und von Ost nach West sich kreuzen, trafen um diese Zeit viele Händlerzüge aufeinander. Im großen Lager wurde gehandelt und getrunken; Emes sah sich um, sah die Vielzahl der Menschen und Tiere und Waren und beschloß, nach Osten zu gehen, nach Pella, wo Parmenion– der Name des bärtigen Helden brannte in ihm– auf ihn wartete. Sicher war er nicht genug gewachsen, aber vielleicht gab es in Pella andere Arbeit, bis Parmenion ihn verwenden konnte.
    Das Händlerlager an der großen Kreuzung bestand aus Karren und Zelten, aus Pferden und Maultieren und Eseln und Ochsen. Abends brannten zahllose Feuer; überall roch es köstlich nach Braten und Gewürzen und heißem Wein.
    Emes kehrte zu den Lokrern zurück; er zählte im Geist die Tage seines Dienstes bei ihnen und dachte an die zwei Obolen, die sie ihm für jeden Tag zahlen wollten. Er ging zu ihrem Feuer und bat um drei Drachmen für neun Tage Arbeit. Die Händler lachten und lobten ihn und gaben ihm heißen Wein zu trinken.
    Als er erwachte, lag er gebunden auf einem holpernden Karren. Die Lokrer hatten ihn eingetauscht gegen Rebhühner, Gänse und Gemüse; er gehörte nun einem lynkestischen Bauern.«
    Aristoteles unterbrach seinen Bericht, um Wasser zu trinken. Dann sagte er:
    » Harte Arbeit auf den Feldern, bewacht von Hunden, ohne Kenntnis des Landes. Er wurde schweigsam und grimmig, und er wurde stark. Als er zwölf Jahre alt war, schlug er den Bauern nieder, ließ ihn aber leben. Er nahm, was er an Vorräten und Münzen fand, sperrte die schreiende Frau in einen Schuppen, erwürgte drei Hunde und machte sich auf den Weg zu Parmenion.
    Aber dort kam er später an, und wir greifen vor. Laß uns in dem Jahr bleiben, in dem er eine Schwester aussetzte und die andere begrub. Es war das Jahr, in dem Philipp nach Samothrake reiste, wo er Olympias traf. Und das Jahr, in dem ein anderer Sklave im Westen freikam, wie mir Demaratos später erzählte.«
    Als Dymas dreizehn Jahre alt war, änderte sich sein Leben. Nicht, daß es bis dahin ereignislos verlaufen wäre, aber diese große Änderung tilgte einen Teil seiner Vergangenheit, löschte die Gegenwart aus und schuf eine wilde, weite Zukunft.
    Mit sieben Jahren hatte ihn die erste Veränderung ereilt. Die Mutter starb bei der Geburt eines toten Kindes, der Schwester, die er nie haben würde. Sein Vater, ein kunstfertiger Töpfer aus dem sizilischen Herakleia, verkaufte Haus und Besitz und schiffte sich mit dem Sohn ein, um in einer fremden Welt ein neues Leben zu beginnen. Soweit Dymas sich erinnerte, sollte es nach Kyrene gehen, aber dorthin gelangte der Vater nie und der Sohn erst später. Ungünstige Winde trieben das Schiff, auf dem sie reisten, weit nach Westen, ins Herrschaftsgebiet von Karchedon, wo man fremde Segler nur duldete, wenn sie durch Verträge geschützt waren oder Geschäfte in Karchedon selbst hatten. Herakleia hatte keinen Vertrag, das Schiff keine

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