Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
seinen Becher mit einem Zug und schob die Rose wieder in den Mund. » Ich habe ein paar ganz nützliche Leute gesprochen, Philipp. Aus Athen, aus Milet, aus Byzantion, sogar aus Persien.«
» Persien, wie?« Philipp hakte die Daumen in seinen Gürtel. » Was machen Perser hier?«
» Diese Insel ist thrakisch, wie die meisten Einwohner– oder deren Vorfahren.« Parmenion musterte den Arzt aus schmalen Augen. » Thrakien war einmal eine persische Satrapie, wie all die Inseln hier.«
» Und es gibt Verbindungen.« Drakons Stimme klang unscharf, wie verschwommen in einer Lache aus Wein und Müdigkeit; und Rosen. » Die Mysterien… Ihr wißt ja, Dionysos ist auf dem Weg nach Indien auch sehr gründlich durch Persien gekommen. Und immer wenn man nach den Kriegen Verräter in Athen und Theben gesucht hat, waren die meisten von ihnen Anhänger eines oder mehrerer Mysterien.«
Philipp starrte ihn einen Moment unter zusammen gezogenen Brauen an; plötzlich entspannte sich sein Gesicht. Er deutete auf Antipatros.
» Du und ich, wir werden jetzt diesen mysteriösen Priestern unsere Aufwartung machen. Drakon sollte sich reinigen und schlafen– aber vorher Parmenion ein paar Hinweise geben. Sag mir noch eins: Was ist mit diesen Leuten, die du gesprochen hast? Sind sie willig? Muß man sie zwingen?«
Drakon grinste müde. » Nein; und sie sind sogar billig. Sie haben viele anregende Dinge zu erzählen. Über das, was man in Athen von den Ereignissen in Makedonien hält. Über das, was Artaxerxes plant.« Er kicherte. » Diese Insel und die Stadt– wunderbare Gegend, um Freunde zu gewinnen und Leute zu beeinflussen.«
Philipp rümpfte die Nase und sah zu, wie Antipatros die ausgewählten Sklaven zusammentrieb und ihnen Anweisungen gab. » Ich fürchte, ich werde eine Reihe falscher Freundschaften mit Priestern schließen müssen, ohne irgendwen beeinflussen zu können. Ich möchte, daß ihr euch um die wichtigeren Dinge kümmert, während ich mich angeblich mit den Göttern aussöhne.«
Vier Priester begrüßten den Herrscher Makedoniens: der Ägypter, Aristandros, ein Hellene, ein Thraker. Tempelsklaven übernahmen die Weihegaben; Antipatros konnte das Gefolge entlassen.
Es wurden nur wenige Worte gewechselt. Philipp gab sich keine Mühe, tiefere Anliegen oder Ergriffenheit zu heucheln; die Priester des Tempels, von Aristandros ausreichend vorbereitet, schienen derlei nicht zu erwarten. Mit schnellen Schritten geleiteten sie Philipp und Antipatros durch die verschiedenen heiligen Gevierte, vorbei an zahlreichen Altären, an geweihten Wassern, an einer Halle, in der junge Männer, völlig nackt, einander auspeitschten, während zwei Priester mit verhüllten Gesichtern rhythmische Gebete in veraltetem Thrakisch leierten; an einer anderen Halle, in der junge Frauen je einen großen steinernen Phallos umklammerten, umhüllt von erstickenden oder betäubenden oder berauschenden Wolken aus zahlreichen glimmenden Becken; vorbei an einem von zahllosen Säulen starrenden Innenhof, wo weißgekleidete Pilger mit geschlossenen Augen sangen und dabei die Oberkörper vor und zurück schaukelten.
Im Säulenhof vor dem Tempel des Zeus-Ammon berührte Aristandros Philipps Arm und sagte halblaut: » Die besondere Begrüßung für den besonderen Gast– du bist der erste, der heute den Tempel betreten darf.«
» Hat das Gold gereicht?« Philipp betrachtete die Tempeldiener und jüngeren Priester, die seit dem frühen Morgen anderen Pilgern den Eintritt verwehrt hatten und nun auf den Stufen eine Ehrenreihe bildeten.
Zwischen den wuchtigen Säulen der Vorhalle blieben die Priester stehen; der Hellene wandte sich an Philipp. Sein Lächeln war unecht und voller Zähne.
» Wir sind nur Mittler zwischen dir und den Göttern, Herrscher der Makedonen. Die Mittler wissen, wie groß dein Sehnen ist, der Läuterung und Aussöhnung teilhaftig zu werden. Die Mittler betrachten die Weihegaben als großmütig und reich; es ist unser Wunsch, Freundschaft und Wiederkehr des künftigen Königs der Makedonen zu bewirken.«
Philipp knurrte etwas und sagte halblaut: » Beim nächstenmal Preisnachlaß; ich habe aber keine weitere Mutter, die umgebracht werden müßte.« Antipatros stieß ihn mit dem Ellenbogen an.
Der hellenische Priester räusperte sich. » Was die Mittler angeht, so ist des künftigen Königs Pilgerreise zur Zufriedenheit gediehen und vollendet. Die Götter machen jedoch keine Ausnahmen. Wir erwarten daher Verständnis dafür, daß
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