Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Jammer, aber er wird wieder wachsen. Was soll ich auf diesem Pfad der Nachdenklichkeit tun?«
» Die Augen weit offenhalten.«
Antipatros kaute auf der Unterlippe. » Die Städte sind athenische Bundesgenossen, im Hinterland sitzen die Thraker. Und?«
Philipp lächelte; es war kein mildes Lächeln. » Die Städte, die Befestigungen, die Laune der Menschen, die Straßen, die Felder. Und die Goldminen des Pangaion.«
Parmenion beugte sich vor. » Die gehören Athen.«
Philipp nickte. » Das ist Athens Problem.«
» Was hast du vor? Nicht nächstes Jahr, nicht in zwei Jahren, sondern wohin geht der Weg– am Ende?«
Ein Sklave erschien. » Das Bad ist gerichtet, Herr.«
Philipp winkte. » Geh, bereite mehr Tücher– für drei. Wir folgen sofort.« Er stand auf, stützte sich auf den Tisch. Antipatros und Parmenion leerten ihre Becher und erhoben sich ebenfalls.
» Der Weg? In die Sicherheit und Ruhe, Freunde. Seit zweihundert Jahren ist es so, wie es ist. Athen, Theben, Sparta, Thessalien, Makedonien, die Achaier und Aitolier und Epeiroten und Phoker und Akarnanier und Ambrakier, jeder gegen jeden, mal mit dem einen, dann mit dem anderen verbündet. Die hellenischen Städte in Asien, die ewig von den Mutterstädten geschützt werden sollten und bei jeder Gelegenheit an die Perser verscherbelt werden, wenn der Großkönig sich wieder in hellenische Wirren einmischt. Dazu die Barbaren im Norden– Illyrer, Thraker, Paionen, Geten, Triballer.« Leise und eindringlich sagte er: » Es muß ein Ende haben. Makedonien wird nur sicher sein, wenn ringsum alles ebenfalls sicher ist. Das ist das Ende des Wegs, Freunde. Ein Bund aller Hellenen, mit einem gemeinsamen Rat und einem gemeinsamen Heer und einem gemeinsamen Strategen. Mild und gerecht nach innen, ohne gewaltsame Auseinandersetzungen wie bisher; stark genug nach außen, um auch den König der Könige zwingen zu können, den Hellenen in Asien ihre Freiheit zu lassen.«
» In welcher Zeit, Herr?« sagte Antipatros heiser; er war bleich um die Nase.
» Zwanzig Jahre?« sagte Philipp. » Fünfundzwanzig? Bevor wir alle Zähne verlieren. Geht ihr diesen Weg? Er beginnt hier, wo Männer aus allen hellenischen Städten und Ländern zusammenkommen. Männer, deren Treue zu verkaufen ist, deren Freundschaft mehr Gold bringen wird, als sie kostet, deren Einfluß und Nachrichten alles Gold wert sind, das übrigbleibt, wenn wir mit dem Gold des Pangaion Makedonien und Makedoniens Heer stark gemacht haben. Geht ihr mit, Freunde?«
Parmenion stieß den angehaltenen Atem keuchend aus und ließ sich schwer in seinen Stuhl fallen. » Sobald meine Knie wieder gehorchen«, sagte er leise.
Antipatros lachte plötzlich. » Du wirst in Ruhe schlafen können, Philipp, ich schütze deinen Rücken.«
Parmenion hatte die Stirn gerunzelt; er starrte die beiden an. » Ihr seid wahnsinnig«, sagte er schließlich. » Natürlich bin ich dabei. Ich will mich sogar rasieren, Philipp. Wie fangen wir an?«
» Wir haben längst begonnen. Ihr wußtet es nur noch nicht. Morgen kommt ihr mit in den Tempel; danach werft ihr eure Netze aus, während ich den Unsinn der Priester erdulde. Und jetzt– ins Bad!«
Morgens tranken sie Brühe, aßen Fladenbrot und kaltes Fleisch und schauten schweigend aus dem Fenster. Weißgekleidete, geschmückte Menschen zogen in den Wald, zum Tempel; immer wieder flatterten Vögel aus den Bäumen auf.
Philipp schob den hölzernen Teller von sich, wischte sich Mund und Hände mit einem feuchten Tuch, stand auf und ging mit vorsichtigen Schritten zum Fenster und wieder zurück. Sein Gang war steif.
» Wie eine Raubkatze mit einem Dorn in der Lende«, sagte Parmenion. » Hast du die beiden Frauen überlebt? Oder sie dich?«
Philipp lehnte sich an eine Säule und rieb sich den Rücken. » Ah, warum denn nicht? Ich bin ja noch keine sechsundzwanzig, kein alter Mann wie du– wie ihr beide.« Er lachte.
Antipatros faltete die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich zurück; der Helm rutschte weit in die Stirn. » Willst du uns wirklich beide mitschleppen?«
» Wenn ihr nicht wollt… Also, einen hätte ich schon gern dabei. Du weißt, einen, der mich gelegentlich tritt, wenn ich allzu unbotmäßig werde.«
» Nimm ihn.« Parmenion deutete auf Antipatros. » Er tritt genauer. Ich werde mich ans Fischen begeben.«
Philipp nickte. » Wart einen Moment. Ich hab eine kleine Überraschung für euch.«
» Was für eine Überraschung?«
Philipp grinste. » Abwarten.
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