Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
knurrte er. Er kniete nieder, versuchte abermals, die Schnauze des Widders zu befreien. Olympias stand neben ihm, vielleicht einen halben Schritt zurück.
» Wer bist du, hetaira? « sagte Philipp über die Schulter.
Ihre Stimme war belegt, ein wenig aufgerauht, wie mit der stumpfen Seite einer Klinge berieben. » Olympias, Tochter des Neoptolemos und Nichte des Arybbas.«
Philipp runzelte die Stirn. » Könige der Molosser? Dann darfst du helfen.«
Der Ägypter hielt sich das rechte Handgelenk. Mit kaum unterdrückter Wut sagte er: » Das geht nicht– es ist unmöglich. Opfer stehen den Priestern zu, und den Königen. Solche Opfer jedenfalls. Eine Frau…«
Philipp wandte nicht einmal den Kopf. » Könige; und Königinnen. Der Vater meines Geschlechts ist Herakles; die Fürsten der Molosser stammen ab von Neoptolemos, der zuerst Pyrrhos hieß– der Sohn, den Achilles mit Deidameia zeugte. Wer bist du, daß du es wagst, in unserer Anwesenheit den Mund zu öffnen?«
» Priester des Amûn.« Die Stimme des Ägypters war ein Zischen.
» So laß deinen Gott entscheiden, ob er das Opfer annimmt. Hilf mir mit dem Knoten, Olympias.«
Der Ägypter faßte mit der gesunden Hand nach Olympias; sie schüttelte seinen Griff ab, ohne ihn anzusehen, kniete neben Philipp nieder und löste die Tuchbinde. Der Widder öffnete das Maul, gab aber keinen Laut von sich.
Philipp hielt das Tier an einem Horn. » Laßt ihn los.« Die Sklaven gehorchten; der Widder blieb ruhig stehen. » Bringt Brot. Auf dem Tisch liegt ein Fladen. Gebt ihn mir.«
» Brot für den Gott«, sagte der hellenische Priester mit einem unüberhörbaren Staunen in der Stimme.
» Bringt es her.«
Aristandros hob die Hände, ließ sie fallen, wandte sich um und holte selbst die Silberplatte mit den Fladen für die Opferung. Philipp hielt immer noch den Widder am Horn fest; mit der Rechten nahm er einen Brotfladen. Er streckte die Hand aus. » Du weißt, was es bedeutet?«
» Ich weiß es– hetairos.« Olympias’ Stimme flackerte, aber ihre Augen waren stetig. Sie ergriff das Brot.
Philipp sagte halblaut: » Antipatros.«
» Ich höre.«
» Deine Hände, Hüter Makedoniens.«
Antipatros zögerte nicht länger, als ein Blinzeln dauert. Sein Entsetzen über den Anblick der schönen jungen Frau wog geringer als das Vergnügen über Philipps Auftritt. » Steht auf.«
Sie erhoben sich; Philipp nahm den Widder zwischen die Beine. Antipatros legte die linke Hand auf Philipps, die rechte auf Olympias’ Schulter.
» Den Segen der Götter, die Treue des Volks, gute Stunden und zahlreiche Kinder«, sagte er mit fester Stimme.
Olympias und Philipp zerrissen das Brot. Beide bissen von ihrem Teil ab, tauschten und aßen von der anderen Hälfte. Antipatros ließ sie los, nahm Aristandros die Silberplatte ab und hielt sie ausgestreckt vor sich, bis Olympias und Philipp die Brotreste darauf legten. Der Ägypter hatte sich abgewandt; er rieb sein Handgelenk. Der Thraker starrte stumm zum Antlitz des Zeus-Ammon hinauf, wo das Spiel der Lichter und Schatten ein dämonisches Lächeln zu bewirken schien. Der Hellene preßte die Handflächen gegen die Schläfen; seine Augen waren weit aufgerissen. Aristandros stand bleich und regungslos rechts neben dem Altar. Nur seine Augen bewegten sich: Sie zuckten zwischen Philipp und Olympias hin und her.
» Leg meine Gaben auf den Altar, Fürstin der Molosser und Makedonen.« Philipps Stimme war ein tiefes, heiseres Grollen.
Olympias ging zu den bereitgestellten Schalen, Beuteln und Ballen. Es waren die Gaben eines Königs, seiner und des Gottes würdig. Das Fell eines weißen Bären, auf unbekannten Wegen und durch viele Hände weit aus dem Norden hergebracht; silberne Schalen voller Münzen– shiqlu aus Karchedon, goldene persische Dareiken, goldene und silberne Löwenmünzen aus der Zeit des Lyders Kroisos, athenische Didrachmen, Ströme von Tetradrachmen aus Syrakus und anderen hellenischen Städten des Westens, Bronzemünzen mit seltsamen Bildzeichen und viereckigem Loch, Statere mit dem korinthischen Pegasus; ein Ballen feinsten, mit Goldfäden durchwirkten Leinentuchs; Silber und Gold in Stangen; silberne und goldene Pokale; Amphoren mit Wein aus vielen Gegenden…
Olympias legte von allem ein oder zwei ausgewählte Stücke auf den Altar. Philipp sah zu und kraulte den Hals des Widders. Als Olympias sich ihm wieder zuwandte, schob er ihr das Tier hin und zog sein Schwert. Der Hellene wollte ihm das Opfermesser
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