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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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reichen; Philipp winkte mit einer harten schnellen Handbewegung ab.
    » Bruder«, sagte er leise; dabei schaute er dem Widder in die Augen, » nicht gefesselt und geknebelt sollst du zu den Göttern kommen.«
    Olympias hielt den Widder fest; ihre Finger krallten sich in die Wolle des Rückens. Mit einem schnellen, sicheren Hieb trennte Philipp den Kopf des Tieres vom Rumpf. Das Blut spritzte durch die Luft, färbte die Gewänder des Ägypters und des Hellenen, bildete eine große Lache vor dem Altar. Philipp und Olympias nahmen das restliche Brot von der Scheibe, die Antipatros ihnen reichte, tauchten es ins Widderblut und verzehrten es. Der Thraker stieß dumpfe Klagelaute aus und reckte seine Arme dem Gott entgegen.
    Scheinbar mühelos hob Philipp mit der Linken den Kadaver und legte ihn auf den Altar, zwischen die Gaben. Mit zwei Schnitten seines Schwerts öffnete er Bauch und Brust des Widders; die Gedärme quollen heraus. Philipp reichte Antipatros das Schwert, bückte sich und streifte die Sandalen ab. Barfuß trat er in die schlüpfrige Lache; er zog Olympias an der Hand mit sich.
    Sie wechselten einen langen, brennenden Blick. Dann rissen sie die dampfenden Eingeweide auseinander. Olympias fand die Leber; sie reichte sie Philipp. Er hob sie hoch, drehte sie hin und her, betrachtete sie von allen Seiten, legte sie dann auf eine freie Stelle des Altars.
    » Der Gott ist mit den Gaben zufrieden.« Er nahm Olympias’ Hand, verschränkte seine Finger mit ihren; seine Stimme war tief und sicher und voll von unendlicher Gier. Olympias atmete schnell, beinahe keuchend. Sie rieb ihre Knie aneinander. » Er billigt das Opfer und die Opfernden.« Philipp streifte Aristandros mit einem spöttischen Blick. » Dann wollen wir zur Sühne schreiten.«
    Rechts vom Altar, unmittelbar vor der Statue des Zeus-Ammon, standen zwei große Becken, in denen Holzkohle glühte. Philipp zog Olympias mit sich; Antipatros senkte die Augen zu den blutigen Spuren, die beide auf den weißen Platten hinterließen.
    Philipp legte den schweren Beutel mit Goldmünzen vor der Statue nieder, zwischen den Becken. Er öffnete den anderen Beutel mit dem Weihrauch und verteilte das kostbare Harz aus dem Süden Arabiens auf beide Becken.
    Als der strenge, satte Ruch aus den beiden Rauchsäulen den Tempel erfüllte, zog Philipp die Leinwand aus der Tonröhre. Das Bild seiner Mutter Eurydike, gemalt von einem großen und geschickten Maler aus Phönikien, der vor Jahren in Pella gelebt hatte und gestorben war.
    Antipatros spürte, wie sich die winzigen Härchen in seinem Nacken aufstellten; verwirrt bedachte er, daß es gut sei, im übrigen einen kahlen Kopf zu haben. Das vom Vergnügen und von Bewunderung verdrängte Entsetzen stieg wieder in ihm auf. Er trat einen Schritt vor und beobachtete das Gesicht der jungen Frau.
    Olympias sah zu, wie Philipp die Leinwand ausrollte und auf einen der glimmenden Weihrauchhaufen legte. Antipatros zog die Oberlippe zwischen die Zähne. Philipp musterte Olympias von der Seite, mit einem lauernden und gleichzeitig begehrenden Blick.
    Olympias riß die Augen auf und beugte sich vor. Aus dem Chiton glitt das ägyptische Amulett; an der feinen Goldkette baumelte es einen Moment über dem Bild, das sich zu kräuseln begann. Philipp betrachtete es und blinzelte; dann lachte er dröhnend.
    Antipatros sah, wie Olympias die Hände nach dem Bild ausstreckte. Dem Bild einer Toten, die aussah wie eine Zwillingsschwester der jungen Frau. Er stieß die angehaltene Luft aus und schloß die Augen.
    Kurz nach Sonnenuntergang war es windstill und immer noch warm. Drakon saß nackt im seichten Wasser, schaute aufs Meer hinaus und kaute auf einem Lorbeerzweig. Weiter oberhalb hockten drei Hopliten, außer Hörweite.
    Antipatros beendete seinen Bericht. » Tja, und dann sind sie irgendwo verschwunden. Wahrscheinlich dröhnt der Tempel von ihren Lustschreien. So etwas hab ich noch nie gesehen– daß sie nicht in der Widderblutlache übereinander hergefallen sind… Als ob sie seit Beginn der Welt aufeinander gewartet hätten.«
    Parmenions Gesicht war düster. Immer wieder bohrte er die Finger in den weißen trockenen Sand, füllte die Hände, hob sie und ließ Sand rieseln. » Gefällt mir nicht– nein, mag ich nicht.« Es waren weniger deutlich unterscheidbare Wörter als vielmehr ein heiseres Knurren.
    Drakon wandte ihm das Gesicht zu. » Die Welt wurde nicht in Gang gesetzt, um deine Billigung zu finden, o Parmenion. Und der Wille

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