Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
hörte eine Tastatur klappern. »Richtig«, sagte er dann. »Ich seh’s hier im Outlook. Stroh wenden, steht hier. Aber worum geht’s eigentlich, wenn man fragen darf?«
Ich klärte ihn auf.
»Und der Holbein sagt, er hätte mich da gesehen?«
»Sie können sich nicht erinnern?«
»Es steht zwar hier in meinem Computer, aber beim besten Willen … Wissen Sie, wenn Sie eine Landwirtschaft haben, dann haben Sie an den Wochenenden immer irgendwas zu tun. Ich kann Ihnen sagen, wenn ich’s dem Vater nicht am Totenbett versprochen hätte …«
»Vielleicht lassen Sie das Ganze erst mal auf sich wirken«, schlug ich vor. »Manchmal braucht die Erinnerung eine Weile.«
Ich diktierte ihm Namen und Telefonnummer.
»Gerlach? Sind Sie nicht der, der endlich mal aufräumen will mit den ganzen Kleinkriminellen?«
»Was halten Sie davon, wenn wir da drüben was Warmes trinken?«, fragte ich Balke, als ich das Handy einsteckte. »Mir ist lausekalt.«
Wir überquerten die Straße und betraten einen Bäckerladen mit kleinem Stehcafé. Ein leicht schielender und stark übergewichtiger junger Mann hielt dort einsam die Stellung und musterte uns feindselig. Ein Duft nach frischen Backwaren und gutem Kaffee wehte uns entgegen. Ich bestellte mir einen Cappuccino, Balke, der sich vor Kälte die Hände rieb, einen Latte Macchiato und dazu eine Butterbrezel. Er war in dem glücklichen Alter, in dem man noch keine Kalorien zählen muss.
»Schlechte Karten«, meinte er, als wir mit unseren dampfenden Bechern in den Händen an einem der beiden herbstlich dekorierten Stehtische standen. »Fragen Sie mich mal, was ich an irgendeinem Nachmittag vor vierzehn Wochen gemacht habe.«
»Immerhin haben wir jetzt so etwas wie eine Täterbeschreibung.«
Balke lachte bitter. »Er ist zwischen fünfzig und siebzig, trägt gerne helle Hemden und dunkle Krawatten. Er steht möglicherweise auf Jungs und fährt einen schwarzen Audi Q7, den es nicht gibt.«
»Und er kommt viel rum. Die Tatorte liegen auffallend weit auseinander.«
»Oder er ist sehr vorsichtig.«
Eine Weile sahen wir schweigend dem spärlichen Verkehr vor den großen Fenstern zu. Eine alte Frau mit wollenem Kopftuch und einem Korb unterm Arm kämpfte sich gegen den Wind voran. Der schielende Dicke, der uns bedient hatte, war inzwischen in einem der hinteren Räume verschwunden und räumte dort herum.
»Was gibt’s Neues von Nicole?«, fragte ich. »Bitte verzeihen Sie die Frage, natürlich geht mich Ihr Privatleben nichts an. Aber ich mache mir in letzter Zeit ein wenig Sorgen um Sie.«
Balke warf mir einen finsteren Blick zu. »Da haben Sie recht.«
»Wenn ich mir Sorgen mache?«
»Nein, was mein Privatleben betrifft. Das geht Sie wirklich nichts an.«
18
Am Freitagmorgen gestand mir Balke mehr befriedigt als zerknirscht, dass er während der Durchsuchung des Jörgensenschen Hauses sowohl seine Befugnisse als auch die Grenzen der Legalität überschritten hatte. Mit seinem Handy hatte er heimlich einige Papiere aus Muriel Jörgensens Schreibtisch fotografiert. Ich stauchte ihn pflichtschuldig ein wenig zusammen und studierte mit Interesse die Ausdrucke, die er mir vorlegte.
»Bin leider erst gestern Abend dazu gekommen, die Bilder auf den PC zu ziehen«, erklärte er und nahm einen Schluck aus dem Kaffeebecher, den er mitgebracht und ungefragt auf meinen Schreibtisch gestellt hatte. »Sorry wegen der Qualität. Aber das wird Sie interessieren.«
Er deutete auf die wirklich schlecht lesbare Kopie eines Kontoauszugs. Dreißigster Oktober, entzifferte ich mit Mühe, Überweisung von vierzehnhundert Euro an das Detektivbüro René Pretorius.
»Ich werd nicht mehr!« Ich reichte ihm das Blatt zurück. »Haben Sie irgendeine Ahnung, wofür sie das Geld bezahlt hat?«
»Da werden wir sie wohl fragen müssen. Oder Pretorius.«
»Ich werde den Teufel tun und zugeben, dass wir illegal beschaffte Beweismittel verwenden«, versetzte ich. »Trotzdem, danke!«
Balke grinste zufrieden und leerte seinen Becher.
»Ansonsten war die Durchsuchung leider ein Reinfall«, meinte Vangelis. »Auch die endgültigen Laborberichte geben keinerlei Hinweise auf eine Gewalttat gegen den Jungen.«
»Wie weit sind wir mit der Putzfrau?«
»Wir versuchen gerade, ein brauchbares Phantombild von ihr anzufertigen. Frau Weberlein, die Nachbarin, kann sie ganz gut beschreiben. Sobald wir damit fertig sind, geben wir das Bild in die Fahndung.«
Balke schob seine Papiere zusammen. »Ich finde ja,
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