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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Ich nehme an, Pretorius ist der wahre Schuldige und hat Sie da mit reingezogen. Wenn Sie Glück haben, dann finden wir mit Ihrer Hilfe den Jungen noch lebend. Andernfalls …«
    »Eigentlich hab ich doch gar nichts gesehen.« Holbein saugte an seiner Kippe wie ein Erstickender an der Sauerstoffmaske. »Bloß den Bub mit seinem Fahrrädchen halt. Aber den hab ich gesehen, das ist mal sicher.«
    Balke zog das flache digitale Aufzeichnungsgerät aus der Gesäßtasche seiner Jeans, schaltete es ein und stellte es auf den Tisch.
    »Dann lass mal hören«, knurrte er mit einer Miene, als juckte es ihn schon in allen Fingern.
    Holbein versuchte gerade vergeblich, seine dritte Zigarette anzustecken. Inzwischen zitterten seine Hände jedoch zu stark, und so zerkrümelte er sie schließlich stumm vor sich hinfluchend im Aschenbecher.
    »Sonntagnachmittag ist es gewesen, das weiß ich genau.«
    »Warum sind Sie so sicher, dass das der richtige Tag war?«
    »Weil ich vorher auf dem Friedhof gewesen bin, darum. Meine Eltern sind nämlich am fünften August gestorben. Autounfall, auf der A6 in der Nähe von Bad Rappenau. Da bin ich fünfzehn gewesen.«
    »Und wohin wollten Sie?«
    »Nach Nußloch, mit dem Moped. Ich hab da … was … am Laufen gehabt.«
    Sönnchen hatte mir während der Herfahrt telefonisch noch einige Details zu unserem Gesprächspartner mitgeteilt. Nach dem frühen Tod seiner Eltern war er bei den Großeltern aufgewachsen, deren Haus er später geerbt hatte und heute bewohnte. Später hatte er eine Lehre als Fliesenleger abgeschlossen und zwölf Jahre in diesem Beruf gearbeitet, die ganze Zeit für dieselbe Firma. Nach einem schweren Arbeitsunfall, bei dem Alkohol im Spiel gewesen war, hatte er ein halbes Jahr in einer Rehaklinik verbracht. Und seither war er trotz zahlloser Umschulungsmaßnahmen arbeitslos und lebte von einer winzigen Invalidenrente, Hartz IV und vermutlich dem einen oder anderen Privatauftrag. Vermutlich hatte er also an jenem Sonntag im August in Nußloch eine Terrasse oder einen Keller zu fliesen gehabt.
    Holbein schien meine Gedanken zu erraten, denn plötzlich flackerte Angst in seinem Blick auf. Nun versuchte er es doch wieder mit einer Zigarette. Diesmal klappte es. Das Zeug stank zum Davonlaufen. Zum Glück stand die Tür zum Hof offen.
    »Ich bin nicht hier, weil Sie schwarzarbeiten«, sagte ich kalt. »Wenn Sie keine Mätzchen machen, wenn ich Sie bei keiner einzigen Lüge erwische, dann werde ich diesen Punkt vergessen.«
    »Man muss essen«, jammerte er. »Das Haus kostet, sogar den BMW hab ich letzten Herbst verkaufen müssen …«
    »Das ist uns vollkommen scheißegal«, schnitt Balke ihm das Wort ab. »Entweder du singst jetzt wie ein Vögelchen, oder du kannst dir nächste Woche auch noch einen Käufer für dein Moped und dieses widerliche Dreckloch von Haus suchen.«
    Holbein rieb sich mit dem Handrücken das rechte Auge.
    »Da ist halt der Bub gewesen mit dem Fahrrädchen«, quengelte er wie ein übernächtigtes Kind. »Sonst nix. Bloß der Bub, Herrgott!«
    »Und du bist sicher, dass das Gundram Sander war?«
    »Ich hab am nächsten Tag das Bild in der Zeitung gesehen. Was Rotes hat er auf dem Gepäckträger gehabt. Grad so, wie’s in der Zeitung gestanden hat.«
    »Und wo war das genau?«
    Holbein machte eine Armbewegung irgendwohin. »Gleich hinter Bad Schönborn, auf der B3. Ein paar hundert Meter nach dem Ortsschild. Da steht so eine Notrufsäule an der Straße, und da hab ich wegen irgendwas halten müssen. Und da hab ich ihn dann halt gesehen.«
    »Hat er es eilig gehabt?«
    »Aber wie der Teufel! Einen ganz roten Kopf hat er gehabt, so hat der gestrampelt. Als wär einer hinter ihm her.«
    »War denn jemand hinter ihm her?«, hakte ich sofort nach.
    »Was? Nein. Da ist doch keine Sau … Will sagen, kein Mensch ist da auf der Straße gewesen, bei der Hitze. Also, fast kein Mensch, jedenfalls.«
    »Sie haben also niemanden sonst gesehen?« Balke war plötzlich zum Sie übergegangen. »Ein bisschen Verkehr wird ja wohl schon gewesen sein.«
    Hilflos hob unser schwabbeliger Zeuge die Schultern.
    Im Fernseher gab es einen spektakulären Unfall, der den Moderator in große Verzückung versetzte.
    »Warum haben Sie denn eigentlich angehalten, wenn sonst nichts auf der Straße war?«, ergriff ich wieder das Wort.
    Holbein betrachtete eine ganze Weile seine Zigarette.
    »Da ist ein Traktor gewesen, jetzt fällt’s mir ein«, sagte er, plötzlich überrascht von der

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