Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
diesem Konto, und schob ihr den gesuchten Auszug über den Tisch. »Vorletzte Woche haben Sie einem gewissen Herrn Pretorius vierzehnhundert Euro überwiesen.«
Volltreffer. Sie erstarrte.
»Dürfte ich erfahren, wofür?«, fragte ich harmlos.
»Muss ich … diese Frage beantworten?«
»Natürlich nicht. Aber Sie werden verstehen, dass ich mir meine Gedanken machen werde, wenn Sie schweigen.«
»Es … Das hat nichts mit Tim zu tun.«
»Womit sonst?«
»Das geht Sie nichts an.«
»Mit Ihrem Mann vielleicht?«
Dankbar für den gebotenen Fluchtweg nickte sie. Schluckte. Nickte wieder. Seit ich die Überweisung erwähnt hatte, wagte sie nicht mehr, mir in die Augen zu sehen.
»Es … Ich … wollte wissen, ob er mit einer Frau, mit einer anderen …«
»Frau Jörgensen, bitte verzeihen Sie, wenn ich das so unverblümt sage: Beim Gesundheitszustand Ihres Mannes halte ich es für ziemlich unwahrscheinlich, dass er fremdgeht.«
Über ihr Gesicht irrlichterte für einen Moment Panik. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt. Plötzlich schüttelte sie den Kopf wie ein unartiges Kind, das nicht ins Bett will.
»Sehen Sie mich bitte an!«, sagte ich, vielleicht eine Spur zu hart.
Sie sah tatsächlich auf, hielt meinem Blick jedoch nur für zwei, drei Sekunden stand.
Themenwechsel. Ich legte das Phantombild der Putzfrau auf den Couchtisch. »Ich nehme an, Sie kennen diese Frau.«
»Iva. Woher …?«
»Das tut nichts zur Sache. Seit wann ist sie nicht mehr bei Ihnen?«
»Schon länger.«
»Etwas genauer bitte.«
»Ich … weiß nicht. Es ist so viel geschehen in letzter Zeit.«
»Was wissen Sie über diese Frau?«
Ratlos hob sie die schmalen Schultern. »Nicht viel.«
»Wo wohnt sie? Wie ist ihr Nachname? Wo kommt sie her?«
»Sie wohnt irgendwo in Heidelberg. Den Nachnamen hat sie einmal genannt, aber ich habe ihn …« Schuldbewusst senkte sie den Blick. »… vergessen. Sie stammt aus Slowenien, meine ich mich zu erinnern.«
»Ist sie vor oder nach Tim verschwunden?«
»Später.« Muriel Jörgensen fuhr sich nervös mit der Hand über die Stirn. »Später, ja. Vielleicht zwei Wochen später.«
»Aus welchem Grund?«
»Es hat … Streit gegeben. Meine Nerven, Sie verstehen …«
Sie schlug die Hände vors Gesicht.
»Was ist wirklich geschehen am einundzwanzigsten September?«, fragte ich milder. »Manchmal habe ich das Gefühl, Sie wollen Ihren Sohn gar nicht zurückhaben. Sie behindern unsere Arbeit, wo Sie können. Sie sagen mir nicht die Wahrheit. Was ist hier los, Frau Jörgensen?«
»Sie wissen doch schon alles«, murmelte sie mit erstickter Stimme. »Tim wurde entführt. Ich werde erpresst. Das ist die Wahrheit.«
»Haben Sie deshalb diesen Privatdetektiv eingeschaltet?«
Sie nahm die Hände vom Gesicht. Ihre Augen waren trocken. Ihre Stimme war wieder ein wenig fester, als sie sagte: »Wenn ich die Polizei gerufen hätte, dann wären Sie doch mit Streifenwagen gekommen und Blaulicht und Uniformen …«
»Das hätten wir ganz gewiss nicht getan«, versetzte ich vielleicht eine Spur zu grob. »Aber nun gut. Hat Herr Pretorius wenigstens etwas erreicht für das viele Geld?«
»Nein«, murmelte sie mit betretenem Blick in ihren Schoß.
Draußen regnete es in einem fort. Der Heizkörper in meinem Rücken gluckste leise, strahlte jedoch kaum Wärme aus. Die weißen Rosenstöcke im Garten draußen ließen ihre Blüten hängen, als müssten sie trauern.
»Hätten Sie das Lösegeld für Tim denn aufbringen können, wenn die Erpresser sich wieder gemeldet hätten?«
Verzagt schüttelte sie den Kopf.
»Aber Ihr Vater hätte Ihnen doch sicherlich aushelfen können.«
Erstaunt sah sie mir ins Gesicht.
»Wir haben natürlich Erkundigungen eingeholt«, beantwortete ich ihre unausgesprochene Frage. »Ihr Vater ist durch den Verkauf seiner Firma noch immer ein wohlhabender Mann. Und dieses Haus ist schuldenfrei.«
Angesichts ihrer Miene verzichtete ich auf die Frage, ob er die Summe für sein ungeliebtes Enkelkind herausgerückt hätte. Vermutlich hätte sie nicht einmal gewagt, ihn darum zu bitten.
»Sie hätten sich auch später noch an uns wenden können«, meinte ich.
Sie nickte mit schuldbewusst gesenktem Blick.
Ich beugte mich vor, damit mir keine Regung in ihrem Gesicht entging. »Ich frage Sie heute zum zweiten Mal: Halten Sie es für denkbar, dass Ihr Mann Tim entführt hat?«
»Hermann?« Sie sah sogar kurz auf vor Verblüffung. »Warum sollte er so etwas tun?«
»Er könnte zum
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