Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen

Titel: Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
Vom Netzwerk:
Fenster.
    Als ich mich abends um kurz nach sechs auf den Heimweg machte, hatte ich keine weiteren Informationen über Carsten Gröwer, und Rolf Runkel hatte noch immer nichts von sich hören lassen. Den Peugeot ließ ich auf dem Parkplatz der Direktion stehen, da ich keine Lust auf Schneekratzen hatte. Sönnchen lieh mir einen Schirm, den irgendein Besucher vor Ewigkeiten vergessen hatte. Inzwischen schneite es beeindruckend heftig. Der Verkehr kämpfte sich im Schritttempo über die Straßen. An jeder Ecke veranstalteten lärmende Kinder Schneeballschlachten. Auf der runden Grünfläche, die das Zentrum des Römerkreises bildete, bauten zwei junge Männer lachend an einem riesigen Schneemann.
    Zu Hause angekommen, fand ich die Wohnung dunkel und leer. Die Zwillinge waren wieder einmal ausgeflogen. Ich vermutete sie bei Freundinnen. Oft machten sie in letzter Zeit wieder gemeinsam Hausaufgaben, was in meinen Augen nicht schaden konnte. Ich hängte meinen Mantel an die Garderobe, stellte den rosafarbenen Schirm zum Abtropfen in die Badewanne und meinte plötzlich, aus dem Wohnzimmer leise Geräusche zu hören. Als ich nachsehen ging, fand ich Louise im Dunkeln auf der Couch sitzend. Ihr Gesicht war tränennass.
    Ich setzte mich zu ihr, ohne Licht zu machen, und nahm sie stumm in den Arm. Sie ließ es bereitwillig zu. Lange sagten wir nichts. Durch die halb offene Tür drang ein wenig Licht vom Flur herein.
    »Liebeskummer?«, fragte ich schließlich und drückte sie ein wenig fester.
    Er hieß Marc, war schon neunzehn, wohnte in Darmstadt, und man hatte sich im Internet kennengelernt. Die Geschichte lief bereits seit sieben Monaten.
    »Erst haben wir bloß gechattet. Er war total nett und so … anders. Hat nicht gleich so anzügliche Sachen geschrieben wie die meisten Typen. Wir haben uns dann mal in Heidelberg getroffen. Im Mai.«
    Louise hatte dieses Treffen klugerweise so eingefädelt, dass sie mit Marc nicht allein war. Es war der erste warme Abend des Jahres gewesen, und man hatte gemeinsam mit Freunden auf den Neckarwiesen gegrillt.
    »Er hat gar keinen Alkohol getrunken«, fuhr sie traurig fort. »Das fand ich cool. Die meisten Jungs saufen ja wie die Schweine. Und er ist auch nicht zudringlich geworden. Wir haben geredet, und es war total nett, und dann …«
    Dann hatte man ein wenig geknutscht und später gefummelt und sich an den folgenden Tagen wiedergesehen. Erst nach drei Wochen hatten die beiden zum ersten Mal miteinander geschlafen. Für beide war es nicht das erste Mal gewesen.
    »Aber mit ihm ist es ganz anders gewesen, weißt du?« Jetzt weinte Louise wieder. Bebte an meiner Seite, durchfeuchtete allmählich den Ärmel meines Hemds. »So … schön, irgendwie. Wie, wenn alles davor ganz falsch gewesen wäre. So, so schön.«
    Marcs Eltern waren beide berufstätig, kamen abends meist nicht vor acht nach Hause, und er durfte nach Belieben das Auto der Mutter benutzen.
    »Wir sind glücklich gewesen, Paps«, flüsterte Louise. »So glücklich. Und dann …«
    Und dann kam das Übliche: Marc wollte auch noch mit seinen Freunden zusammen sein. Ohne Louise. Um die Häuser ziehen. Hin und wieder doch mal ein Bier trinken. Zu Konzerten gehen von Bands, die keine Musik für kleine Mädchen machten.
    »Am einen Tag war er so … so zärtlich, und am anderen hat er nicht mal das Handy abgenommen.«
    Man hatte sich gestritten, getrennt, wieder versöhnt. Meine kleine Louise hatte die Pille genommen, sich vor Sehnsucht verzehrt und auf seinen Anruf gewartet.
    »Und jetzt hast du Schluss gemacht?«
    Sie nickte kaum merklich. »Zum fünften Mal. Wenn ich wieder was mit ihm anfange, dann schlägst du mich, okay? Schimpfst du dann mit mir, ja?«
    »Wo steckt eigentlich Sarah?«
    Achselzucken.
    »Hat sie auch einen Freund?«
    »Nicht wirklich«, lautete die rätselhafte Antwort. Eine Antwort, die Doro mir ganz ähnlich in jener Nacht vor achtzehn Jahren gegeben hatte.
    Doro. Ich musste sie dringend anrufen. Den Nachmittag über hatte ich sie nicht erreicht, und später hatte ich es vergessen.
    Aber nicht jetzt. Jetzt war Louise wichtiger.
    Später aßen wir zu zweit zu Abend. Sprachen wie Erwachsene über die Liebe und alles damit verbundene Glück und Elend.
    »Paps, meinst du, es gibt den einen Menschen, der zu einem passt?«, fragte Louise. »So die ganz, ganz große Liebe?«
    »Wenn, dann haben nicht viele das Glück, diesen Menschen zu treffen.«
    »Hast du ihn getroffen? War es … Mama?«
    Was für eine

Weitere Kostenlose Bücher