Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen
sicher, was Busen hatte und nicht bei drei auf den Bäumen war. Nach dem Abi hat er in Stuttgart BWL studiert. Scheint ihm aber bald zu doof geworden zu sein, denn nach dem dritten Semester ist er nach Berlin gezogen und hat sich auf Jura verlegt. Dem Alten hat das natürlich mächtig gestunken. Angeblich hat er sogar mit Enterbung gedroht.«
»Wie machen Sie das?«, fragte ich. »Wie kommen Sie in so kurzer Zeit an solche Informationen?«
»Frauen.« Balke strahlte mich an. »Verlassene Frauen sind die besten Quellen in solchen Fällen. Ich habe eine seiner abgelegten Freundinnen aufgetrieben. Die Geschichte ist fünfzehn Jahre her, aber sie ist immer noch stinkesauer auf ihn. Gröwer junior hat sie geschwängert, damals war sie gerade mal siebzehn, und der Vater hat später die Abtreibung bezahlt. Sie behauptet, sie sei unter Druck gesetzt worden. Ihr Bruder hat damals bei der Gröwer GmbH eine Lehre gemacht, und man hat durchblicken lassen, dass es für sein Zeugnis nicht günstig wäre, wenn sie nicht spurte. Die Frau träumt heute noch davon, ihrem Exlover mal ordentlich eins reinzubraten.«
Carsten Gröwer hatte sein Jurastudium im Alter von neunundzwanzig Jahren mit der Promotion abgeschlossen, »summa cum laude, natürlich«, und nebenher emsig an seiner politischen Karriere gefeilt. Inzwischen war er zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Jungen Liberalen aufgestiegen, und man sah sein jugendlich frisches Gesicht hin und wieder in den Nachrichten. Gröwer war ein Sympathieträger. Ein nicht von intellektueller Grübelsucht oder religiösen Skrupeln angekränkelter Machertyp, dem man es gerne nachsah, dass er schnelle Autos fuhr und das Leben nicht immer nur traurig fand.
»2001 hat es eine Vaterschaftsklage gegen ihn gegeben«, fuhr Balke fort. »Die konnte er aber abwimmeln. Das Mädel hatte wohl auch ein bisschen den Überblick verloren, wann sie mit wem in der Kiste war. In dem Prozess hat Gröwer sich übrigens selbst verteidigt. Nach der Gegenpartei suche ich im Moment noch.«
Zwei Jahre später ehelichte Dr. jur. Carsten Gröwer eine gewisse Verena Voss, deren Vater früher eine bekannte FDP-Größe und in Düsseldorf Wirtschaftsminister gewesen war.
»Außerdem ist der alte Professor Voss schweinereich«, fügte Balke gallig hinzu. »Gröwer ist durch diese Heirat gesellschaftlich, beruflich und finanziell mindestens drei Stufen nach oben gekegelt.«
Und seither war sein erster Wohnsitz ein Penthouse in Düsseldorf.
»Zweihundertachtzig Quadratmeter in feinster Lage und fünf teure Pferde im Stall. Die Frau ist leidenschaftliche Springreiterin, war in Peking sogar in der Olympiamannschaft. Gröwers Golf-Handicap liegt bei fünfzehn.«
»Ist das gut?«
»Obere Mittelklasse. Ein Jahr nach der Hochzeit ist er über einen Listenplatz in den Bundestag gewählt worden. Außerdem – und hier fängt es an, spannend zu werden – hat er tatsächlich hier in Heidelberg ein Wahlkreisbüro. Und er soll auch heute noch jede junge Frau anbaggern, die ihm in die Quere kommt. Wenn er hier zu tun hat, dann wohnt er bei seinen Eltern in Bad Rappenau in der Souterrainwohnung.«
»Woher kennt ein Mann wie Gröwer eine Schülerin? Wie sollten die beiden in Kontakt gekommen sein? Vor allem, wo sie noch nicht mal ein halbes Jahr in Heidelberg war?«
»Weiß ich alles noch nicht. Geben Sie mir noch ein paar Stunden. Was ich weiß: Zurzeit ist er jedes zweite Wochenende hier. Nächstes Jahr ist Wahl. Und warum sollten sie sich nicht über den Weg gelaufen sein? Gröwer lässt ein Mädchen wie Lea nicht einfach stehen. Der greift zu, wenn sich eine hübsche Gelegenheit bietet.«
Balke blätterte eine Seite in dem Notizbuch um, das er seit einigen Wochen wieder benutzte, nachdem es einmal schweren Ärger mit seinem Smartphone gegeben hatte, in dessen Verlauf ihm Unmengen von Daten und Informationen verloren gegangen waren.
»Er hat ja auch eine Menge zu bieten, was auf Mädels Eindruck macht.«
»Ich weiß nicht«, sagte ich zweifelnd. »Man kennt sein Gesicht von den Plakaten. Es würde Gerede geben. Und das kann er in seiner Position nicht brauchen. Schon gar nicht vor der Wahl.«
»Sein Daimler ist übrigens wirklich nicht braun, sondern silberfarben. Aber an den braunen Mercedes habe ich ja von Anfang an nicht geglaubt.« Balkes Augen wurden klein. Er schien Probleme zu haben, seine Handschrift zu entziffern. »Eine direkte Verbindung zu Lea sehe ich im Moment noch nicht. Aber wir haben ja auch erst
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