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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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durch ihre Anmut wider jede Unbill befestigte. Die Nachricht löste zwiespältige Gefühle aus, brachte aber keine innere Klarheit; dies war nicht es. Meldungen aus der Ferne, von makedonischen Herolden verkündet oder verlesen, bewegten ihn zwar, waren aber auch nicht es – weder die bedrohliche Lage Alexanders, als die persische Flotte das Meer und die östlichen Küsten wieder beherrschte und halb Hellas in den Aufstand zu tanzen drohte, noch die seltsame Krankheit und der plötzliche Tod des Rhodiers Memnon, auch nicht des Harpalos Verrat und Flucht, auch nicht der gewaltige, unglaubliche Sieg bei Issos, der im Winter in den Schänken erörtert wurde.
    Die Archonten der Stadt, von den Zünften und Gruppen vorgeschlagen und von allen erwachsenen Männern gewählt, regten im Herbst an, endgültig den alten Namen, Epidamnos, aufzugeben und den Ort hinfort nur noch Dyrrhachion zu nennen. Der Anlaß hierfür war die Mitteilung, daß man in Pella vom Verwaltungsbezirk Epidamnos sprach. Es war eine Gebärde des Trotzes, die nichts eintrug, aber auch nicht schadete.
    Im Lauf der Zeit lernte Dymas, ohne große innere Teilnahme, die Nachbarn kennen, die Geschäftsfreunde und – feinde des Deliers, die Werkstätten, Läden und Schänken des Viertels. Nach und nach machte er sich mit der Stadt vertraut, die zunächst aussah wie zwangsläufig alle auf See, Fischfang und Handel ausgerichteten Hafenstädte, deren innere Vielfalt sich erst langsam erschloß.
    Aus dem fruchtbaren Flachland der Küste reckte sich wie ein Arm die große Landzunge nach Westen. Gewissermaßen in der Achselhöhle hatten vor Jahrhunderten Auswanderer aus Korkyra und Korinth den Ort begründet; so hieß es, und ohne Zweifel hatten sie dabei einheimische Fischer getötet oder vertrieben, an die heute nichts mehr erinnerte. Im unmittelbaren Stadtbereich errichtete man zunächst oberhalb des flachen Strandes einen mächtigen Uferwall, trug später den Strand ab und mauerte bis zu einer auch für große Boote schiffbaren Tiefe eine breite Kaianlage auf, mit Werkstätten, Werften, Lagerhallen, Fischverarbeitung, alles im Ernstfall ungeschützt. Fast genau in der Mitte der Seemauer gab es eine schmale Lücke, Durchfahrt zum rechteckigen inneren Hafenbecken mit den alten Häusern der Handwerker und Händler. Die Einfahrt konnte notfalls durch eiserne Gittertore versperrt werden; von der Zugbrücke aus blickte man nach Südwesten, aufs Meer. Am Kopfende des Beckens stieg der Boden zur Festung an, zur Akropolis, in der die Makedonen saßen. Jenseits der Stadtmauern lagen die Marktgärten und ausgedehnten Felder der Bauern; nur im Süden, wo das Gelände felsiger war, fand eine andere Nutzung statt – dort lagen die Kot- und Abfallgruben, die Dymas zu dumpf erinnertem Ekel gereichten.
    Das Meer, das ihn als Trümmerhaufen aufgenommen und als menschenähnliches Wesen ausgespien hatte, zog ihn immer wieder an. Bei seinen langen Wanderungen über die Kaistraßen, die Strände im Westen und Süden, manchmal auch über die Seemauer empfand er durchaus so etwas wie Dankbarkeit, außerdem eine Art Wiedersehensfreude; und allmählich zunehmendes Fernweh, die Seesucht des Weitgereisten. An Nachmittagen, wenn er nichts für Aristippos zu tun hatte, hockte er oft bei den schwitzenden Männern, die am Südende des Kais – der vorherrschende Westwind trieb den Gestank ins Land statt in die Stadt – in hochgemauerten Steinöfen mit langen Rinnen die Fichten des Hinterlandes zerkleinerten und Blasebälge traten und Teer kochten; oder er trieb sich auf dem mittleren Kai herum, sah den Frauen der Fischer beim Ausnehmen der Tiere zu, lauschte den Geschichten von Wind und Wetter und Fischzügen, aß in einer der zahllosen Garküchen, trank abends in den Schänken mit Seeleuten und Handwerkern, immer auf der Suche nach jenem es, das er nicht benennen konnte. Keiner konnte es liefern – weder der ägyptische Möbelschreiner (dessen Zwei-Monats-Truhen ihn an die eigene jugendliche Sklavenarbeit in Karchedon erinnerten, dessen Drei-Monats-Truhen Wunderwerke der Schnitzkunst, dessen Vier-Monats-Truhen unbeschreiblich waren, auf lange Vorbestellung hin angefertigt zum Preis von 750 Drachmen), noch der ebenso kunstfertige Lederwerker, ein Skythe, der vor Jahrzehnten als Sklave seinem athenischen Herrn entflohen war, noch die Segelmacher und Tauschläger, Verfertiger von Brot und süßem Gebäck, Fleischhändler, Wurstmacher, Fischräucherer, Silberschmiede, nicht einmal die

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