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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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zwischen den Tischen zum Ausgang. Sie war nackt; mit der seltsamen Klarsicht solcher Momente bemerkte Dymas das grelle Weiß der aufgerissenen Augen und die Haarlosigkeit der Scham.
    Dymas, Aristippos und der Etrusker saßen an einem der vier Tische, die einen Halbkreis am Fuß der Treppe bildeten. Die Schwarze streifte seine Schulter; er spürte etwas Heißes, blickte auf und sah die lange, von der Schulter bis zum Gesäß reichende Schnittwunde, aus der das Blut strömte. Oben auf der Treppe erschien der Verfolger, ein halbnackter makedonischer Hoplit, baumlang, mit Muskelwülsten und tropfendem Schwert. Halb trampelnd, halb rutschend schoß er die Treppe herab, prallte gegen die Musiker, die der Dirne mühsam hatten ausweichen können, hieb nach dem Auleten, öffnete ihm mit der Schwertspitze die rechte Brust, rammte dem Sänger den Ellenbogen ins Gesicht, zertrat das am Boden liegende Barbiton, brüllte immer wieder »Glatze! Glatze!« , wollte der Frau folgen, fand die Durchgänge zwischen den Tischen von Gästen und Musikern versperrt, stieß einen Wutschrei aus und begann sich wie ein Kreisel zu drehen, Arm und Schwert ausgestreckt. Der Barbitonspieler, mit dem Gesäß an der Kante des Tischs von Dymas und Aristippos, ächzte einmal; dann fiel unendlich langsam sein Kopf auf die Tischplatte und rollte in den Schoß des Deliers. Der übrige Körper zuckte, machte einen Tanzschritt halb nach vorn, halb zur Seite, wurde zu einem torkelnden Springbrunnen heißen Bluts und fiel vor die Füße des Mörders, der sich weiter drehte und brüllte.
    Alles schrie durcheinander; die meisten waren aufgesprungen, viele versuchten zum Ausgang zu gelangen. Der Wirt tauchte mit einem Bratspieß aus der Küche auf; der makedonische Offizier, der aufgestanden war und eingreifen wollte, wurde von Flüchtenden umgerannt. Irgendwie sah Dymas den trunkenen Etrusker selig lächeln, das Gesicht in schaumigem Blut und Wein, auf der Tischplatte; Aristippos hatte die Finger gespreizt und betrachtete den Kopf in seinem Schoß mit einem Ausdruck milden Staunens, der sich zu verzerren begann. Irgendwie nahm er all das wahr, was im Raum geschah, wußte es aber erst später. Es war, als ob kochendes Öl sein Inneres erfüllte; es war, als ob eine Eisenfaust ihn packte und vorantriebe. Es ließ ihn auf den Tisch steigen, es berechnete die Drehungen des wahnsinnigen Mörders, es schnellte ihn durch die Luft. Er prallte gegen den Makedonen; mit dem restlichen Schwung von Springen und Drehen krachten sie gegen die unteren Stufen der Treppe, die zerbrachen. Das Schwert klirrte zu Boden. Die rechte Hand des Makedonen, dessen Augen plötzlich klar waren, wollte zum Gürtel, aber Dymas lag auf ihm, spürte den Griff des Dolchs unter seiner Hüfte, spürte die Arme, die Muskelwülste, die sich um ihn legten und ihn zu zerquetschen drohten, hieb immer wieder mit der Stirn gegen die Nase des Mörders, bis sie brach und die Klammer der Arme einen Moment nachgab, ließ die Stufe los, an der er sich mit beiden Händen festgekrallt hatte, legte die Arme wie zur Liebkosung um den Hals des Mannes, preßte dessen Kinn gegen seine rechte Schulter und brach ihm das Genick.
    Taumelnd versuchte er aufzustehen. Über sich, auf der Treppe, sah er die nackten Beine der Mädchen; durch die verebbende Brandung in seinen Ohren hörte er wie einen Windstoß die Stille, die die Schänke erfüllte, das Wimmern der schwarzen Frau, das erstickte, heisere Stöhnen des Auleten, hörte ein Würgen, wie von innen, krümmte sich und erbrach Speisen und Wein, Kraft und Ohnmacht, Gedärm und Gemüt am Fuß der Treppe. Dann wurden die Feuerräder und Schlieren vor seinen Augen zu Sandalen und Füßen und Beinschienen. Starke Hände griffen unter seine Achseln und stellten ihn auf die Beine.
    Die Makedonen, die am Eingang gesessen hatten, völlig nüchtern und ernst, bildeten einen Halbkreis um ihn. Dahinter sah er eine verschwimmende Wand aus Gesichtern. Der Offizier, der wie seine Männer das blanke Schwert in der Hand hielt, ohne das die Besatzer ungern die Akropolis verließen, musterte ihn ruhig, mit einem Ausdruck leichter Verblüffung um die Augen. Dann steckte er das Schwert in die Scheide und legte die rechte Hand auf die linke Brust.
    »Die Hochmütigen zähmen, die Schwachen schützen, die Ängstlichen aufrichten, die Tapferen preisen«, sagte er langsam. »Das sind die Befehle von Alexander und Antipatros. Ferner sagen sie, ein makedonischer Krieger, der sich an Bewohnern

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