Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
während seiner wirren Monde vergessen hatte. Olympias war kurz nach Dymas’ Aufenthalt in Pella ebenfalls von dort abgereist: nach Epeiros. Ihr Bruder Alexandros, mit Alexanders Schwester und Olympias’ Tochter Kleopatra vermählt, hatte die Herrschaft seiner Frau und Nichte übergeben und sich mit einem Heer nach Süditalien aufgemacht, um Ruhm und Reichtum dort zu ernten, da ihm durch Antipatros’ Besetzung der taulantischen Lande die Ausdehnung nach Norden verwehrt war. Olympias habe es aufgegeben, sich mit Antipatros zu messen, der alle Ränke durch Gegenränke und alle Gemeinheiten durch erhabene Gleichgültigkeit zunichte machte. Im übrigen, sagte Harpalos, befasse Antipatros sich eben damit, Aufstände in Thrakien niederzuwerfen.
»Das war zu erwarten. Aber sag, Freund Alexanders – was hat dich zur, ah, Flucht hierher gebracht?«
Harpalos lächelte unendlich mild. »Neugier, Kitharode. Die unersättliche Neugier des Harpalos. Und ein gewisser... sagen wir: Überdruß. Dies hier« – er beschrieb einen Halbkreis mit der Rechten – »ist mir weitaus zuträglicher als die kargen Feldlager und staubigen Eilmärsche, mit Brot, das aus madigem Mehl gebacken wurde, und Fleisch von Rindern, die zu alt waren, um dem einbeinigen Schlachter zu entlaufen, und Wein, den Menschen feineren Geschmacks nicht einmal als Essig bezeichnen würden.«
»Und deine Freundschaft zu Alexander? Deine Treue, als Makedone, zum König, und als Hellene zum Auftrag des Bundes?«
Harpalos betrachtete ein Stückchen Fisch, wie ein Seher die Leber eines Opfertiers betrachten mochte. »Wahre Freundschaft, mein Freund, ist erhaben über leichte Mißhelligkeiten; und sinnvoller Umgang mit Treue ist oft nur einen Lidschlag entfernt vom Verrat.« Er leckte die Finger ab. »Weißt du Neues über das Wohlergehen deiner Gönner?«
Dymas verschluckte sich. »We ... welcher Gönner?« Er hustete.
»Demaratos«, sagte Harpalos, wie nebenher. »Hamilkar. Bagoas. Nicht zu vergessen Antipatros, der in Pella Münzen an dich vergeudet hat.« Er ließ sich auf die Kline sinken und blickte hinauf zum Rand des Baldachins. »Tekhnef hat deine fünfzigtausend Drachmen nicht angetastet. Es geht ihr gut, nebenbei bemerkt.«
Dymas spülte, was immer in seinem Mund sein mochte, mit einem langen, tiefen Schluck hinunter. Nach kurzem Schweigen sagte er: »Diese Gegend, durch die jeder ziehen muß, der etwa von Athen nach Sparta will – es sei denn, er besäße ein Schiff –, hat ihre Vorzüge, nicht wahr?«
Harpalos rollte sich auf die Seite, zupfte das Tuch zurecht und betrachtete den Musiker. Dann kicherte er, aber seine dunklen Augen waren scharf und kalt. Eisig kalt.
»Vor allem für feiste, dem Wohlleben ergebene Verräter, ja. Wer weiß, daß du hier bist?«
Dymas erwähnte den Kaufherrn in Megara und einen Mann im Bankhaus.
»Sehr umsichtig ... Man könnte ja über eine Schwertspitze stolpern, ohne daß jemand weiß, wo das Grabmal zu errichten ist. Hmf. Doch, du hast recht und wohl getan. Bist du gesättigt?«
»Mehr als das; ich platze gleich.«
»Gut, gut.« Harpalos klatschte in die Hände. Als die Sklavinnen alles weggeräumt hatten, setzte er sich auf den Rand der Kline; mit den Füßen tastete er nach den weichen Schuhen aus Teppichstoff.
»Eine bestimmte Sache ... Ich muß einen Brief an den guten Tauriskos beenden, damit er noch heute befördert werden kann. Gewisse Kenntnisse sollten morgen in Athen sein. Es wird vielleicht eine Stunde dauern; magst du dich bis dahin mit einer meiner Sklavinnen ergötzen? Lustwandeln? Ruhen? Oder vielleicht lesen?«
»Hast du feinen Lesestoff?«
Harpalos schnaubte, stand auf, ließ das Tuch fallen und ging zu einem Bogen, der in einen großen hellen Raum führte.
»Komm mit.«
Durch die weiten Fensteröffnungen blickte man auf den Garten, die Mauern und jenseits des sinkenden Uferstreifens das Meer. An den weißgeschlämmten Wänden standen Gestelle mit Rollen, davor Liegen, Scherenstühle, Tische. Der Boden, aus hellem Marmor mit rötlichen Adern, war hier und da mit kostbaren, fetten Teppichen belegt. Harpalos ging zu einem Schreibtisch aus beschnitztem Holz, wühlte zwischen Rollen, Tafeln und Schreibzeug, kam mit zwei dickeren Rollen zu Dymas und deutete auf die Liegen und Stühle.
»Setz dich, setz dich. Ich will ein wenig Kleidung über mein Fett streifen und den Brief beenden. Du kannst hier sitzen und lesen, oder draußen, im Hof, wie du willst.«
»Was sind das für
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