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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Priester – oder die klügsten von ihnen – warten. Er nennt die Fragen; dann wird beraten, schließlich schreibt man die Antworten auf, und der Lauscher kriecht zurück in die Kammer, von wo er den Papyros in Ammons Mund schiebt.«
    »Und?« sagte Sisygambis. »Die Fragen?«
    Drakon schnitt eine Grimasse. »Bevor wir dazu kommen, müssen wir über Ptolemaios reden. Alexander wollte ihn dabeihaben, von Anfang an. Er hat ihn losgeschickt, sobald wir die Oase erreicht hatten. Ich habe danach mit ihm gesprochen – wir dienen ja beide den gleichen Herren, Alexander und Demaratos. Ptolemaios hat sich zuerst geziert, dann aber gesagt, daß er durch einen Luftschlitz in den Tempel, dann in den Geheimgang eingedrungen ist. Er hat gesehen – ohne selbst gesehen zu werden, er war gut verborgen –, wie jemand in die Kammer hinter dem Gott kroch; er hat die Fragen und Stimmen aus Räumen unter dem Tempel gehört; dann hat er sich entfernt und ist nach Westen geritten, dorthin, wo Simmias als Si-amun wohnen wird und bereits sein Zelt aufgeschlagen hatte. Sie haben Aufträge des Königs besprochen, und Aufträge von Demaratos; aber Simmias hat ihn die ganze Zeit so merkwürdig angeschaut. Schließlich hat er ihn gefragt, was eigentlich los ist, und da hat Simmias nach einigem Widerstreben eine Fackel genommen – es war mitten in der Nacht – und ist mit Ptolemaios zu dem alten Grabhügel gegangen.
    ›Ich hatte nichts zu tun‹, sagt er, ›seit ich hergekommen bin; abgesehen von den Dingen, über die wir gesprochen haben. Aus Langeweile habe ich nachts, damit keiner etwas bemerkt, ein wenig an dem Hügel herumgebuddelt. Und einen Eingang gefunden.‹
    Ptolemaios sagt, der Eingang sei nicht zu sehen gewesen; Simmias hatte alles gut verdeckt. Sie haben es geöffnet und sind unter die Erde gestiegen. Da war eine halb ausgegrabene, noch mit viel Sand und Erde verstopfte Kammer; daneben eine weitere, uneröffnet. In der ersten Kammer« – Drakon stockte, räusperte sich, schloß die Hände um den Becher, bis sich die Knöchel weiß abzeichneten – »waren Nischen, und in den Nischen lagen kleine Gestalten aus Stein, gemeißelt, mit sehr feinen Zügen.«
    Die Frauen starrten ihn an, warteten, warteten lange.
    »Ptolemaios behauptet«, sagte Drakon mit brüchiger Stimme, »es seien genaue Abbilder aller Herrscher Ägyptens gewesen. Er hat sie nicht gezählt, aber es waren viele. Am Ende der Reihe lagen einige, deren Züge er erkennen konnte, weil er die Abbilder von Münzen oder Bildern oder ... Beschreibungen kennt. Nektanebos war da, den Artaxerxes vor zwölf Jahren vertrieben hat. Daneben lag ein Bild, eine Steinfigur mit den Zügen des Artaxerxes, der ja auch Herrscher Ägyptens war. Daneben Arses, wie sein Vorgänger von Bagoas dem Hurtigen, dem Eunuchen, ermordet. Daneben ... Dareios. Und daneben, als letzter in der Kammer, Alexander.«
    »Das ist unmöglich«, sagte Sisygambis heiser.
    Drakon hob die Schultern. »Simmias zufolge war alles vom Dreck der Jahrhunderte voll und kann nicht erst vor kurzem angelegt oder ergänzt worden sein. Sie sind herausgekrochen und haben den Eingang zugeschüttet; am Tag waren sie bei uns und Alexander, und Ptolemaios ist mit uns zurückgeritten.« Drakon machte eine kurze Pause; dann sagte er, beinahe flüsternd: »Ptolemaios sagt, erst später, auf dem Heimritt durch die Wüste, habe er sich noch einmal gründlich mit seiner Erinnerung befaßt, mit den wahrgenommenen Dingen. Und da sei es ihm so vorgekommen, als ob die zweite Kammer ... Er sagt, es habe so ausgesehen... Also, er meint, Simmias hat die zweite Kammer eröffnet, hineingeschaut und wieder zugeschüttet.«
    »Das Große Spiel wird immer verwickelter«, murmelte Sisygambis. »Iran. Karchedon. Ägypten. Makedonien. Und nun das – die Bilder der früheren Herrscher Ägyptens – und der künftigen?«
    »Die Fragen!« Barsine hatte die Augen geschlossen; Drakon war nicht sicher, ob er unter den Lidern Tränen sah.
    Er rieb sich die Augen. »Nun wird es noch verwickelter«, sagte er mürrisch. »Zu verwickelt für den Geist eines kleinen makedonischen Heilers, um es genau zu sagen. Demaratos hatte Simmias eine Liste der wahrscheinlichen Fragen mitgegeben – wir wissen ja, was Alexander immer wieder begrübelt. Die Liste enthielt auch Vorschläge für erwünschte oder sinnvolle Antworten. Wenn man« – nun klang seine Stimme in den eigenen Ohren grimmig – »den Zufällen vorbeugt, soll man die Belange der Götter achten, die

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