Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Wer könnte, wenn er dabeiwäre, zuviel begreifen?«
Widerwillig sagte Drakon: »Demaratos. Laomedon. Leonnatos. Seleukos. Nearchos. Antigonos. Antipatros. Kleitos. Ptolemaios. Simmias. Ein paar andere, vielleicht.«
»Du hast Drakon vergessen«, murmelte Sisygambis.
Drakon riß die Augen auf. »Du meinst ... Aber wieso dann der Lagide?«
»Wer hat ihn für den Dienst des Demaratos vorgeschlagen?«
Drakon hielt einen Moment die Luft an. »Alexander selbst«, sagte er dann schwach.
Barsine lächelte müde. »Sechs junge Männer, gute Freunde, werden von Philipp nach Illyrien verbannt – Alexander, Ptolemaios, Erigyios, Laomedon, Nearchos, Harpalos. Erigyios ist Führer der thessalischen Reiter – sie sind Parmenions Leibtruppe, und Parmenion ist der einzige Mann im Heer, der Alexanders Macht beenden könnte, wenn er der Meinung wäre, der König mißbrauchte sie. Laomedon kennt sich mit fremden Sprachen und asiatischen Gebräuchen aus; es ist natürlich, daß Alexander ihm die Befragung und Betreuung der Gefangenen anvertraut – und die Bewertung ihrer Aussagen. Nearchos hält euch den Rücken frei, als Satrap, und besorgt Nachrichten. Harpalos hält sich in Hellas auf; als Verräter? Demaratos hat sie damals in Illyrien aufgesucht und die Versöhnung mit Philipp bewirkt. Du, Drakon, hast schon für Philipp gearbeitet, wie Antigonos und Kleitos. Alexanders Freunde Leonnatos und Seleukos sind von Demaratos ausgesucht worden. Ptolemaios hat der König vorgeschlagen. Weil er sich auf ihn bedingungslos verlassen kann? Weil der Lagide ihm all das sagen wird, was der Korinther möglicherweise verschweigen würde?«
»Aber ...« Drakon sprach nicht weiter.
»Sie sind weit weg, bis auf wenige. Alexander will Philippos mitnehmen, aber der wird von einer Schlange gebissen. Alexander ist empört, als er Simmias in Siwah findet. Alle erwarten, daß er sich von Kleitos dem Schwarzen begleiten läßt, aber für den erfindet er einen anderen Auftrag. Simmias konnte er nicht erwarten; das war eine Überraschung. Dich mußte er mitnehmen, weil der einzige andere Arzt krank war, und ganz ohne Heiler durch die Wüste reiten ...?«
»Das hieße«, sagte Drakon langsam, »daß ... o nein.«
»O doch. Der Palmwein sollte dich ausschalten. Und den Papyros hat er dir gegeben, weil nicht alles darauf stand. Und, wie ich ihn kenne, als Zeichen der ... Versöhnung, Freundschaft? Daß er das Spiel durchschaut, daß er besser spielt als ihr, daß er keinem zürnt und in Zukunft vollkommen aufgeklärt werden will.«
Drakon preßte die Handflächen gegen die Schläfen. »Es zappelt und tanzt in meinem Kopf ... Was ist mit den asiatischen Erd- und Wassergöttern?«
Barsine blickte Sisygambis an. »Mutter – weißt du es? Ich kann nur raten.«
Die alte Fürstin seufzte. »Mithra wird in einer Höhle mit finsteren Orgien gefeiert. Erde? Aber ursprünglich ist er ein Gott des Lichts, der Luft. Erd- und Wassergötter, Drakon, gibt es in Iran nicht, jedenfalls keine von Bedeutung. Es könnte sein, daß ...« Sie verstummte, schüttelte den Kopf, schien aber eher unwillig denn ratlos.
Barsine blickte hinaus in den Innenhof; die Sonne war fast versunken, und lange Schatten lösten sich auf.
»Ich denke«, sagte sie leise, »an die Götter. Ammon ist Zeus, aber er ist auch Marduk – sagt man. Wenn Alexander sein Gefäß ist, sein Sohn, wird der Gott nicht wollen, daß dieses Gefäß den Bereich des Gottes verläßt. Hat es nicht geheißen, er soll das Reich der Perser beenden und das des Ammon wieder errichten? Dieses Reich endet dort, wo Persien beginnt. Wahrscheinlich ... wahrscheinlich hat der Oberste Priester ihm dies gesagt, oder gedeutet. Bleib dort, wo Ammon herrscht, geh nicht dorthin, wo der wichtigste Gott Licht und Feuer ist. Aber wenn du dorthin gehst, zerstör seine Altäre.«
»Möglich.« Drakon stöhnte auf. »Es ist ein wildes und grausames Spiel, und zu verwickelt für einen einfachen Sterblichen. Dennoch danke ich euch. Ihr habt eure Seite des Handels eingehalten; ich habe euch hinsichtlich der Götterfrage mehr gesagt, als ich eigentlich durfte. Mein Schweigen, das Siegel, ist zur Hälfte gebrochen. Ich danke euch, mehr kann ich nicht sagen. Morgen, Barsine, will ich nach deinem Leib sehen.« Er stand auf.
Sisygambis deutete auf den Stuhl, den er eben verlassen hatte. Barsine hob die Brauen.
»Willst du das Wichtigste nicht wissen?«
Er sackte wieder auf seinen Sitz, ächzend. »O ihr Götter! Noch mehr? Was ist
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