Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
verdorbenes Essen.«
»Ist nicht auch Parmenions Sohn Nikanor so gestorben? In der Nähe des Königs, den ich im Unterscheiden von guten und bösen Kräutern unterwiesen habe?«
»Berichte«, sagte Peukestas tonlos. »Was gab es noch an Berichten?«
»Du weißt es längst, nicht wahr?« Wieder keckerte Aristoteles schrill. »Berichte? Nun ja, Berichte. Von Kallisthenes, zum Beispiel. Mein wertloser Neffe ... Albern, hochfahrend, dumm. An den Bericht über den Brand von Persepolis hat er noch eine halbe Rolle angehängt, voll von Gedanken über die Größe der Rache und die Herrlichkeit der Nacht – derart unsagbarer Unfug, solch unaussprechliche Dummheit, daß ich die Rolle damals schon verbrannt habe – die halbe. Als Alexander, um seine größeren Ziele zu erreichen, Perser ins Heer eingliederte, die erschöpften Kämpfer, die mit der reichen Beute in die Heimat wollten, die murrenden, unzuverlässigen alten Offiziere versetzte, an die Seite schob oder einfach umbringen ließ – als er bei all dem Hilfe brauchte und schöne, gedrechselte Berichte für Hellas, da hat er sich der scharfen Zunge und der listigen Einfälle des Kallisthenes bedient. Als der König dann, um die Asiaten nicht zu befremden und als Stütze seiner Macht zu behalten, den asiatischen Fußfall, die proskynesis einführte, hat Kallisthenes sich geweigert, wie so viele – hat sich geweigert, als freier Mann und Hellene vor einem König zu knien, den Boden zu küssen vor einem, den er unterrichtet hatte, der nach makedonischer Auffassung Erster unter Gleichen war, aber nicht Gottkönig. Da, Peukestas, hat Alexander Kallisthenes umbringen lassen, wie zuvor Philotas und die anderen. Kleitos, Bruder von Alexanders Amme, Lebensretter des Königs am Granikos – ihn hat er eigenhändig getötet, und Ptolemaios hat kluge Worte darüber geschrieben. Diesen Brief habe ich aufbewahrt. Er ist kunstfertig; man kann ihn als Lehrbeispiel für die Verdrehung von Wahrheit im Dienst eines Mächtigen nehmen.«
Aristoteles hatte immer schneller geredet; nun schwieg er einen Moment, schien aber keineswegs erschöpft. Es war, als ob er das restliche vorhandene Leben, alle noch nicht verflogene Energie in einem großen Schlußfeuer verbrennen wollte.
»Deshalb«, sagte er dann, »habe ich die meisten Berichte verbrannt. Sie waren nutzlos, verstehst du? Geschwätz von Kallisthenes; Drechseleien von Ptolemaios, mit einer Feinheit, die ausreichen würde, den Mond zum Apfel zu erklären und Demosthenes in der Versammlung verstummen zu lassen. Briefe von Nearchos gab es, die schiere Wahrheit, ohne Zutaten, aber es standen viele wichtige Dinge darin, die ein sehr guter Freund dringend wissen mußte, die sonst keiner wissen durfte. Ich habe sie Antipatros gegeben, wie es sich geziemte. Vielleicht haben sie dazu beigetragen, daß er am Ende dem Befehl des Königs, zu ihm nach Babylon zu kommen, ausgewichen ist. Deshalb lebt er noch.«
»Trümmer Trümmer Trümmer.« Peukestas preßte die Handflächen gegen die Schläfen. »Bin ich denn einem Gott gefolgt oder einem Wahnsinnigen?«
Pythias schüttelte den Kopf; etwas wie Trauer und Mitleid lag in ihrer Stimme. »Ihr Männer immer mit eurem entweder – oder. Du bist, ihr alle seid einem wahnsinnigen Gott gefolgt. Er war beides.«
»Gibt es nichts mehr, das Gnade vor deinen Augen gefunden hätte? Ich will wissen, ich muß wissen!«
Aristoteles bewegte den Kopf; Pythias ging mit einem leisen Seufzer zum Gestell und kam mit einigen Papyrosrollen zurück. Eine lag nun noch in dem Fach, aus dem sie die übrigen genommen hatte.
»Zwei Briefe«, sagte der Philosoph; plötzlich klang seine Stimme wie die eines Sterbenden, nicht mehr wie die eines glühenden Leichnams. »Ein kostbarer Brief von Parmenion, meinem lieben alten Freund. Und einer von deinem Vater, Sohn Drakons. Dazwischen der gedrechselte Bericht des Lagiden Ptolemaios über den Tod des Schwarzen Kleitos. Die dickeren Rollen können warten. Lies – lies vor allem, was nicht in den Wörtern ist, sondern zwischen und hinter ihnen.««
Pythias gab dem Makedonen die drei Schriftstücke. Wertlose schwarze Kritzeleien auf nicht besonders wertvollem Papyros; und unbezahlbar.
»Parmenion, Sohn des Philotas, an Aristoteles, Sohn des Nikomachos – Gruß und Gedenken, Freund. Die greise Nacht nistet in den seltsamen Bäumen von Ekbatana. Der Stratege ruht, aber der alte Mann kann nicht schlafen; möge der Philosoph lesen, aber der Freund antworten.
Dies sind die
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