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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ebenso dumm wie Demosthenes, aber nicht in der Stadt geboren und deshalb von der Politik ausgeschlossen. Wie ... Aristoteles, der große und gerühmte und weise Aristoteles. Geboren in Stageira, deshalb in Athen wie in Chalkis ein Niemand – Metöke, ohne Bürgerrecht, ohne Stimme in der Versammlung. Da dies aber so ist; da nicht einmal er, nicht einmal in Athen oder hier zu wichtigen Fragen gehört wird, soll ich glauben, in deinem Traumreich könnte jemals jeder zu Wort kommen? Verlangst du wirklich, daß ich deinen Traum ernst nehme?«
    Er schwieg, starrte auf seine Finger, trank.
    Sie berührte ihn wieder mit der Hand. »Nicht zu reden vom Mißtrauen, von den Unterschieden. Wenn Chalkis weiß, daß die Stadt sich Gesetze geben und diese mit Zwang durchsetzen muß, damit nicht alles in Mord und Brand untergeht, wie soll es dann zwischen Städten und Staaten anders sein? Nur – wer gibt den Staaten die Gesetze, wer setzt sie notfalls durch? Dein Alexander? Wer hat ihn dazu ermächtigt? Die Götter, an die er selbst nicht glaubte, oder das Schwert? Nicht zu reden auch von den völlig andersartigen Wurzeln des Traums.«
    »Was meinst du mit Wurzeln? Ist der Traum nicht groß genug? Ich sage nicht, daß er durchführbar ist; aber wenn er es wäre, müßte man dann seine Wurzeln untersuchen? Ist nicht eine mächtige Eiche so schön, daß man auf die Untersuchung der Wurzeln und der einen Eichel verzichten kann?«
    »Der Vergleich ist nett, aber er ist auch falsch. Eine Eiche entspringt immer einer Eichel; Boden, Wasser und Sonne kommen dazu, und Verschonung durch grasende Tiere. Das ist bekannt. Ist denn aber bekannt, aus welchen Wurzeln Alexanders Traum kommt – dein Traum?«
    »Die Sehnsucht nach Friede, nach Weite, nach Eintracht.«
    Sie lachte. »O Peukestas, Hetaire des Königs, tapferer und einfältiger Reiter! Alexander wollte Friede und Eintracht? Gut. Dazu mußte er zunächst Sicherheit erschaffen und Philipps Werk vollenden – die Unterwerfung aller, die Eigennutz und Zwietracht vorziehen; die Beseitigung aller inneren und äußeren Drohungen. Dazu mußte er, ohne Zweifel, hellenische Feinde besiegen und persische Heere schlagen. All dies, meinetwegen. Aber mußte er dazu Persepolis niederbrennen? Mußte er dazu den Vater des Heeres ermorden lassen – Parmenion, Freund Philipps, Freund des Aristoteles, Lehrer, Lenker und Vorbild für so viele? Philotas, Kleitos, Kallisthenes, Hunderttausende in Asien, seine eigenen Männer in der Wüste? Meinst du nicht, o Peukestas, daß all die feine Träumerei aus der Notwendigkeit geboren wurde? Sehnsucht nach Weite, oja; hätte er da nicht mit friedlichem Handel ein Vermögen machen und mit einer Handvoll von Freunden oder Gefährten ans Ende der Welt reisen können? War es nicht doch eher der Wille, alles zu beherrschen – Macht, Machtgier, Gier nach Unermeßlichkeit, der er Hunderttausende geopfert hat? Als er mit ein paar makedonischen Kämpfern in Asien stand und sah, daß er diese Unendlichkeit so nicht würde beherrschen können – hat er da nicht vielleicht Perser ins Heer aufgenommen und später zu seinen Brüdern erklärt, weil er nur so die Macht behalten konnte; weil die paar Makedonen allein nicht ausreichten, seine unersättliche Gier zu befriedigen? O ja, er hat Getreide verschenkt, als Hellas hungerte; aber Hellas hungerte, weil er durch Ausmünzung der Perserschätze den Wohlstand, die Preise, die Werte zerstört hat, um sie umwerten zu können. O ja, er träumt von einem einigen Reich, daher zwingt er die Menschen zu massenweisen Wanderungen und Neuansiedlungen, und zu Vermischung, die Brüderlichkeit erzeugen soll – aber erzeugt sie nicht vor allem ein wüstes Land, in dem niemand mehr ausreichend gefestigt ist, ihm noch widersprechen zu können? Ein Reich, in dem alle, die ihm bisher widersprochen haben, hingerichtet wurden und alle anderen nichts mehr sind als Spielfiguren ohne Willen, ohne Würde, ohne Möglichkeiten?«
    Sie hatte immer lauter, immer erregter gesprochen. Plötzlich endete das Röcheln des Sterbenden; Peukestas fuhr zusammen, als er die spröde Greisenstimme hörte.
    »Laß es gut sein, meine geliebte Tochter. – Ich habe nicht geschlafen, nur geruht; es war das Sammeln der letzten Kräfte. Ich habe gehört, was ihr zu bereden hattet. Hast du alles gelesen, Sohn Drakons?«
    Peukestas war aufgestanden; ungläubig starrte er den Sterbenden an. Aristoteles war ein Leichnam – ein Leichnam mit glühenden Augen und lederner

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