Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
und malmte er, spülte immer wieder mit kleinen Schlucken nach. Der Fußkämpfer beobachtete ihn und schob die Unterlippe vor.
»Nett«, sagte er schließlich.
»Was?«
»Zu sehen, wie der edle Ptolemaios, Fürst und hetairos, im Regen hockt und den gleichen Fraß kaut wie wir.«
»Hmf. Ist Harpalos zurück?«
»In seinem Zelt; vor drei Stunden, ungefähr.«
»Sonst was Besonderes?«
»Nichts.«
»Und er?« Ptolemaios machte eine Kopfbewegung hinüber zum großen Zelt des Königs.
»Unterwegs.«
»Seit wann?«
Der Posten runzelte die Stirn. »Halbe Stunde, vielleicht ein bißchen mehr.«
»Hat er geschlafen?«
»Glaub ich kaum. Erst Musik, dann Reden. Als ich übernommen hab, hat er gesessen und geschrieben. Die beiden Musiker schlafen hinterm Eingang.«
Ptolemaios nickte. »Na gut. Warten. Die andern müssen nicht vorm Wecken aufstehen.«
Er erhob sich, schüttelte die Nässe von seinem Umhang und machte einen Rundgang. Auch die anderen Posten meldeten nichts Besonderes. Als er zum Bach kam, hörte er gedämpftes Schnauben und matte Hufschläge. Aus den grauen Schleiern tauchte Bukephalos auf, der helle ochsenköpfige Hengst, den Demaratos vor Jahren dem Königssohn geschenkt hatte. Alexander glitt vom Rücken des Tiers und ließ es trinken. Er trug nur einen ledernen Schurz und war wie üblich ohne Decke oder Zaumzeug geritten. Der kraftvolle Körper und der blonde Schopf waren naß.
»Ich bibbere, wenn ich dich nur sehe«, sagte Ptolemaios.
Alexander lachte kurz. »Du wirst weich, Freund.« Er wandte sich wieder Bukephalos zu, streichelte den Hals des Hengstes und flüsterte ihm etwas ins Ohr, wie es schien. Das Pferd schnaubte leise und suchte mit der Schnauze Alexanders Handfläche.
Ptolemaios holte Körner aus seiner Tasche und ließ sie in Alexanders Hand gleiten.
»Danke. Dein Mittagessen?«
»Hmh.«
Alexander schnalzte; mit Lippen und Zunge leerte Bukephalos die Hand; dann rieb er den Kopf an der Schulter des Königs.
»Ist Harpalos zurück?«
Ptolemaios deutete mit dem Daumen hinter sich. »Schläft in seinem Zelt.«
»Hast du Geld bei dir?«
»Alles, was ich besaß und bei mir trug, gab ich meinem König und Freund, o nackter Morgenreiter. Abgehärmt wate ich durch tauichtes Gras und nähre mich, dem Vieh gleich, von Körnern und Grünem.«
»Vielleicht sollte ich dir statt Kallisthenes das Dichten übertragen. Also, du hast nichts?«
»Was brauchst du denn so früh?«
Alexander rümpfte die Nase. »Nicht viel – ein paar Statere.«
»Nicht viel!« Ptolemaios spielte den Empörten. »Ein goldener Stater, das sind zwanzig Silberdrachmen – zwanzig Tage Sold, Herr.«
»Kriegst du Sold?«
Ptolemaios lachte. »Man hat mir unsterblichen Ruhm und die Enden der Erde verheißen; wer fragt da nach Sold?«
»Gut.« Alexander schnappte mit den Fingern und wandte sich ab; der Hengst folgte ihm. Ptolemaios ging neben dem König her, der sich Harpalos’ Zelt näherte.
»Was hast du vor?«
»Stehlen, was sonst?« Alexander grinste, legte den Finger auf die Lippen und verschwand im Zelt des Schatzmeisters. Nach wenigen Augenblicken kehrte er geräuschlos zurück; in der offenen Handfläche zeigte er Ptolemaios fünf Goldmünzen.
»Hat nen schweren Schlaf, der Hinkende, wie? Wozu brauchst du das Zeug denn so früh?«
»Ich will nicht die Göttin der Morgenröte bestechen, falls du das meinst; es ist für die Musen.«
»Häh?«
»Mach den Mund zu, Ptolemaios; du siehst dämlich aus. Für die beiden Musiker, zum Abschied.«
»Sie sind gut; ein Jammer, daß sie gehen. Heute?«
»Sie haben gesagt, nach der Schlacht, aber ich nehme an...«
Er sprach nicht weiter; Ptolemaios musterte sein Gesicht, die Haltung des Körpers, dann nickte er langsam. Alexander ging ins große Zelt; Bukephalos schlug mit dem rechten Vorderhuf auf den weichen Boden und spielte mit den Ohren.
Sie hatten vorzügliche Musik gespielt, die beste, an die Ptolemaios sich erinnern konnte, und sie waren als letzte beim König geblieben. Die schwarze Frau ... Vielleicht hatte sie, hatten beide Alexander etwas abgeschlagen, und er hatte sie dafür auf eine der zehntausend Weisen ein wenig gedemütigt. Es spielte keine Rolle; am Morgen vor dem Aufbruch zur Schlacht zählten die geknickten Seelen von Musikern weniger als ein Sandkorn am Wegrand.
Der Vormittag hatte bereits begonnen, als endlich die Sicht besser wurde. Von den Hügeln aus betrachtete Ptolemaios den Aufbruch des Heers, die Marschsäulen der
Weitere Kostenlose Bücher