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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Himmel war bewölkt – keine Erleichterung in der brütenden Sommerhitze.
    »Laß dich von nichts überraschen«, sagte Hamilkar leise, als sie den Festsaal betraten. »Falls er kommt, meine ich. Kann sein, daß er etwas sagt, was ... womit du nicht rechnest. Bleib kühl.«
    Dymas holte tief Luft und nickte. Er sah die Leuchter, die Fackeln, die Bratfeuer im Hof, die Gesichter, die schweren Teppiche, kostbare Truhen, Gefäße aus Gold und Silber; er zählte die Sklaven und vergaß die Zahl sofort wieder; er trank einen Becher Wein, ohne etwas zu schmecken.
    Dann nahm er die Kithara aus der Felltasche, stimmte und spielte. Tänze, Paiane, Hymnen; lydische und phrygische, hellenische und persische, ägyptische und phönikische Melodien. Er ging langsam von Gruppe zu Gruppe, blieb immer wieder zwischen den Tischen und Liegen stehen, ließ seine mit bronzenen Kuppen und Zupfspangen versehenen Finger arbeiten, dachte sinnlose Fetzen.
    Irgendwann erschien Perdikkas, der Chiliarch des Heeres, seit Abmarsch des Krateros höchster Offizier. Ein Mann mit harten Zügen, durchdringenden Augen, den Bewegungen eines zornigen Löwen. Er betrachtete die Versammelten, den Musiker, runzelte die Stirn; jemand flüsterte ihm etwas zu. Perdikkas’ Blick richtete sich wieder auf Dymas, etwas wie ein Erkennen oder eine ferne Erinnerung war in den Zügen zu lesen. Dann bildeten sich Menschentrauben um ihn; Gesandte, Bittsteller, Freunde, alle redeten auf ihn ein, fragten nach dem König, nach der Gesundheit, nach dem Heer, nach anderen hohen Offizieren oder Beamten. Eumenes tauchte auf, sah sich um, schnitt eine Grimasse und verschwand, ehe jemand ihn festhalten konnte.
    Perdikkas schüttelte die Leute ab, die ihn bedrängten. Ein Sklave reichte ihm einen Becher, nachdem ein anderer, dikker Mann davon gekostet hatte. Perdikkas trank; seine Augen bohrten sich in die von Dymas. Langsam kam er näher.
    »Elf Jahre, was?« sagte er. »Nun, wir werden alle älter und kommen in der Welt herum. Sing uns etwas, Dymas.«
    »Mit besonderem Vergnügen, edler Chiliarch.«
    Dymas stimmte nach, lehnte sich an die Kante eines Tischs, räusperte sich. Perdikkas blieb neben ihm stehen und schaute im Saal umher; schlagartig herrschte Totenstille. Ein kleines, böses Lächeln erschien auf dem Gesicht des Chiliarchen und schwand sofort wieder – das Lächeln des Mächtigen, der mit Befriedigung festgestellt hat, daß die Macht wirkt.
    »Ein Gesang, der die Lust am Genuß erhöhen soll«, sagte Dymas, »indem er an die unausweichlichen Folgen erinnert.«
    »Das ist gut.« Perdikkas grinste. »Man soll immer die Folgen bedenken.«
    Eine eisige Drohung lag in der Stimme; Dymas schloß einen Moment die Augen und sang.
    Schlag den Zahn in Haselhühner,
tunk den Thunfisch tief in Knoblauch,
tränk mit Sesamöl das Küchlein,
Honigseim streich auf den Krapfen,
Lammfleisch, rosig, brat mit Kräutern,
dreh das Ferkel überm Feuer,
Ziegenfleisch mit Lauch und Lorbeer
schling herunter, spül mit kühlen
schweren Weinen, denn zum Nachtisch
will dich gut gemästet Charon.
    Zweimal sang er die Worte: spöttisch, zu einer leichtfertig hüpfenden Melodie zunächst, dann in einer tieferen Lage begleitet als schwermütigen Totentanz. Er bemerkte, daß gegen Ende des ersten Teils eine leichte Unruhe die versammelten Gäste aus hundert Ländern erfaßte; daß sie ihre Augen auf einen Punkt hinter seiner Schulter richteten. Aber er spielte weiter, denn Perdikkas’ Augen rieten es ihm.
    Als die Musik endete, lag dicke, fast eisige Stille über dem Saal. Er spürte eine Hand auf seiner Schulter. Eine Stimme sagte:
    »Wohlgetan, Dymas. Du hast nicht nachgelassen, trotz der Nähe zu Charon.«
    Dymas atmete durch und drehte sich um. Dann erschrak er.
    König. Held. Stratege. Eroberer. Gott. Alexander war nicht ganz dreiunddreißig, aber sein Gesicht war das eines sehr viel älteren Mannes. Gezeichnet von Wunden, von wüsten Jahren, von Entbehrungen und Mühsal, aber auch ein wenig aufgeschwemmt von zuviel Wein. Die Augen ... immer noch dieses undeutliche, ferne Forschen, Sehnsucht nach Weite; dahinter wie ein tief eingegrabener Dorn Schmerz: eine namenlose, unsagbare Qual. Kein Flackern, keine plötzlichen Übergänge zwischen den Wesen mehr. Im Bruchteil eines Moments begriff Dymas – oder glaubte zu begreifen –, daß der Herr der zehntausend Lichtwesen seine Ziele, sein Gleichgewicht nur hatte erreichen können, indem er die zehntausend Schattenwesen nicht mehr

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