Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
bekämpfte, sondern annahm. Er beherrschte sie, ohne Zweifel, aber sie hatten ihn verändert, und ... er wußte es.
Mühsam brachte Dymas ein paar Wörter heraus. »Ich danke dir, Herr. Eine große Ehre ...«
Alexander nickte, lächelte. Plötzlich war die unglaubliche Magie wieder da, der Dymas bis ans Ende gefolgt wäre, willenlos und verzaubert.
»Gut, gut. Gib mir die Ehre zurück, Dymas, indem du später mehr für mich spielst. Ich speise nachher bei Freunden. Komm mit.«
Dymas verneigte sich, hingerissen und entsetzt. Perdikkas klatschte in die Hände; die Gäste lösten sich aus der Erstarrung, sprangen auf, kamen näher, redeten, schrien. Alexander legte dem Sänger noch einmal die Hand auf die Schulter, zog ihn an sich, als ob er ihn umarmen wollte.
Ungläubig, fassungslos hörte Dymas ihn flüstern: »Später, Sänger, erzähl mir von der schwarzen Witwe in Thessalien, die auf dich wartet. Ob der Schlangengraben wirklich fünf Schritte breit ist. Und was Kurush gesagt hat, in Tadmor.«
Der König wandte sich den Gästen zu, den Gesandten, den Freunden. Menschen, die sich um ihn drängten, sein Gewand, seine Hand berühren, seinen Blick fühlen wollten.
Dymas lehnte an der Tischkante; er wußte, seine Beine hätten ihn nicht getragen. Als er mühsam den Kopf wandte, sah er weitere hochrangige Männer Alexanders den Saal betreten: Nearchos der Kreter, Ptolemaios, Sohn des Lagos, Lysimachos, über dessen jähen Aufstieg in den vergangenen Monden wilde Gerüchte umliefen, Leonnatos. Bei Lysimachos wußte niemand genau Bescheid, aber die drei anderen lenkten die Spitzel, die geheimen Kundschafter, setzten die Arbeit fort, die Demaratos begonnen hatte. Die Arbeit, an der Drakon und, als winziges Rädchen, Dymas beteiligt gewesen waren. Zufall, daß alle drei nun hier auftauchten? Oder erklärlich – weil die mit den Gesandtschaften zu erörternden politischen Fragen ihre Zuständigkeit waren?
Oder – wußten sie etwas?
Dymas, immer noch fassungslos wegen Alexanders Worten, beobachtete den Lagiden, der ihn mit einem Blick streifte, die Brauen hob, nickte, dann nach links schaute.
Alexander hatte die ersten Begrüßungen hinter sich. Dymas sah ihn von der Seite, sah, wie sich das Gesicht in jähem Schmerz verzerrte. Die Hand des Königs ging zum Bauch. Dann schien der Krampf zu enden; Alexander entspannte sich und schaute nach links, wie Ptolemaios. Dymas dachte an die Qual in den Augen, an die Magie; plötzlich wußte er, daß er abspringen, den Anschlag verhindern mußte. Dort stand ein Wunderwerk der Götter oder der Zufälle, der schärfste und begabteste Kopf der Oikumene. Ein einzigartiger Mann. Eine magische Maschine, die nicht zerstört werden durfte; schlimm genug, daß sie eines Tages von allein stehenbleiben würde.
Einen Moment schloß er die Augen. Mord und Brand, Folter und Verstümmelung, Hunderttausende tot, Hunderttausende vertrieben, umgesiedelt, heimatlos, und noch mehr in den kommenden Jahren, zwischen Babylon und dem Westrand der Welt. Kyrene, Libyen, Karchedon. Aber – hatten nicht alle Philosophen die großen Kriegshelden gepriesen? Sagte man nicht, daß die Götter ihnen zugeneigt waren? Alexander hatte schneller, gründlicher, größer gehandelt; aber wesentlich anders als Agamemnon, Achilles, Miltiades, Themistokles, die Pharaonen, die Großkönige? Er dachte an Dyrrhachion, das friedliche Miteinander von Menschen aus hundert Völkern, die freiwillig Gemeinsamkeit entwickelt hatten; ließ sich denn dies Miteinander nicht doch befehlen, erzwingen – würden sich die fehlenden Gemeinsamkeiten einstellen? Konnte er die engstirnigen Bewohner der hellenischen polis , die nicht einmal ihren vertrauten Metöken gleiche Rechte gewährten, zu Weitherzigkeit und kosmischer polis zwingen – und wenn nicht er, wer dann? Mußten denn nicht immer viele leiden und sterben, damit andere neu und besser leben konnten? Brandopfer für Baal, Abflämmen alter Stoppeln für neue Ernte? Er wußte es nicht, konnte es nicht entscheiden; da er es nicht wußte, stand ihm die Entscheidung nicht zu. Wem denn auch?!
Er öffnete die Augen und sah, daß sich vom König aus eine Gasse gebildet hatte, nach links. Dort war Hamilkar aufgestanden und näherte sich Alexander.
Jason, in Thessalien, tot ... Alexander, der ihm Tekhnef nicht hatte nehmen können – nur alles, was Tekhnef an ihm geliebt hatte; Alexander, der alles wußte – vielleicht auch, daß Hamilkar Gift im Mund hatte und Dymas ein
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