Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
in den anderen Ländern; ebenso zweifellos wurden aber die jeweiligen Spionagedienste nicht zu Nutz und Frommen der Historiographen offengelegt. Daß es auch bei guter Femaufklärung und detaillierten Kenntnissen der Interna des Gegners zu Fehleinschätzungen kommen kann, belegen CIA und KGB.
Philipps »Geheimdienst« scheint sehr effektiv gewesen zu sein und wurde wohl ähnlich professionell gehandhabt wie die einzigartig professionelle makedonische Armee. Abgesehen von Belagerungen, Scharmützeln und Auseinandersetzungen mit den Phokern im Dritten Heiligen Krieg gab es zwischen Makedonien und den griechischen Staaten genau eine offene Feldschlacht: Chaironeia 338 v C. Alle anderen Erfolge Philipps waren Früchte von Diplomatie, von Manövern, von Bestechungen, von genutzten Detailkenntnissen über Interna. Ähnlich effektiv müssen die gleichen Leute später für Alexander gearbeitet haben, der – soweit sich dies aus den Quellen rekonstruieren läßt – nicht nur vor den militärischen Auseinandersetzungen genau wußte, wo welche gegnerischen Einheiten in welcher Stärke unter welchem Kommando standen, sondern auch lange voraus die Qualitäten persischer Satrapen kannte und wußte, wen er als Verwalter übernehmen konnte und wen besser nicht. Die Aufklärung der Perser, Karthager und Athener war ebenfalls genau genug, um den jeweils besten Adressaten für Bestechungsgelder o. ä. zu kennen. Daß ein Teil der Alexander-Literatur den zunächst ausbleibenden persischen Widerstand nach Alexanders Asien-Übergang als Versagen der persischen Aufklärung oder Fehleinschätzung der persischen Führung deutet, scheint mir unhaltbar; die Abwehr derartiger Invasionen fiel zunächst in die Zuständigkeit der betroffenen Satrapien, eine Mobilisierung der gesamten Heeresmacht nahm mehr Zeit in Anspruch und konnte erst erfolgen, wenn die Satrapien überfordert waren, und schließlich konnten auch frühere griechische Invasoren (z. B. Agesilaos 396f.; vgl. Chronologie) zunächst unbehelligt landen.
Es liegt, wie gesagt, in der Natur der geheimdienstlichen Dinge, daß genaue Namen, Daten etc. hierzu von den antiken Historiographen nicht verzeichnet sind. Bagoas »der Heile« ist fiktiv bzw. aus mehreren realen Persern der Alexandertexte (vor allem Arrian) zusammengesetzt. Der Korinther Demaratos war Händler und Gastfreund Philipps, schenkte Alexander den Hengst Bukephalos und brachte die Versöhnung zwischen Philipp und Alexander zustande; seine Rolle in der Geschichte (er begleitete Alexander bis an die Grenzen Indiens, wo er starb) geht über jene Dinge hinaus, die man einem bloßen Händler und Gastfreund abnehmen würde. Alles andere ist unbeweisbare, aber möglicherweise plausible Spielerei. Der Karthager Hamilkar erscheint in Alexanders letzten Tagen als Gesandter in Babylon; daß in einem Moment, in dem nur noch zwei Großmächte übrig sind, die westliche Großmacht Karthago – nächstes Angriffsziel Alexanders – einen bloßen Händler nach Babylon schicken soll, scheint mir eine viel fantastischere Annahme zu sein als die, daß es sich bei ihm um den Chef der karthagischen Geheimdienste gehandelt haben könnte.
Musik & Mysterien
Über diese beiden wichtigen Bereiche des antiken Lebens ist kaum etwas bekannt. Genaues über die Mysterien wußten offenbar nur die Initiierten, die einer Schweigepflicht unterlagen und schwiegen; der »innere Monolog« der Olympias im 4. Kapitel von Teil I ist der zweifellos unzulässige Versuch, mit Hilfe antiker Sakraltexte aus Griechenland, Ägypten, Mesopotamien und Indien unter Hinzuziehung von C. G. Jung und Erich Neumann eine Unschärfe-Relation des Mysterienkomplexes zu erstellen.
Die Versuche neuerer Musikwissenschaftler, aus den theoretischen Schriften von Pythagoras und Boethius (und den Äußerungen z. B. von Platon und Aristoteles über die Bedeutung der Musik) eine Art Rekonstruktion zu bewerkstelligen, lesen sich wie das hypothetische Unterfangen, aus einem Essay von Descartes und einem von Adorno die gesamte Musik zwischen Bach und Bartok zu destillieren. Überdies stellen die Theoretiker oft die für praktische Belange falschen Fragen. Es ist sicher, daß die Musik (und ihre Bedeutung im Leben) in Griechenland ebenso entwickelt war wie Dichtung, Architektur, Malerei und Plastik; daß es enge Beziehungen zwischen Dichtung und Musik, zwischen Musik, Tanz und Kultus gab. Wir haben jedoch keinerlei Tondokumente, und die wenigen mit Buchstaben verschlüsselten Hinweise
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