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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Königsschwert Makedoniens, in der anderen Hand des Großkönigs Diadem. Die kalten Augen glitzerten. Nearchos seufzte und winkte; langsam stieg der Mann, den alle für schwachsinnig hielten, vom Thron. Er murmelte etwas wie: »Bist du so sicher?« Nearchos nahm ihm die Herrschersymbole ab und trug sie zurück in den kleinen Rüstraum neben Alexanders Schlafgemach.
    Auf dem Gang, der zum größten Innenhof führte, sah er Ptolemaios, im Gespräch mit Simmias, der seinen Horchposten beim Ammoneion in Siwah verlassen hatte, um dem König wichtige Dinge aus der libyschen Wüste und Karchedons Gebiet zu erzählen. Nearchos nickte den beiden zu; im Vorübergehen hörte er Simmias sagen, Ägypten enthalte gewisse Verheißungen, und er hörte Ptolemaios ächzen.
    Der 28. Tag des makedonischen Daisios-Mondes wollte nicht richtig hell werden. Schwere dunkle Wolken trieben träge über die Stadt und das Land. Es war schwül, drückend schwül; Nearchos sprach leise mit einigen Offizieren und Hopliten im Hof. Bedeutungslose Worte; alle warteten nur auf eines. Und auf Regen. Dichtgedrängt standen, hockten und saßen sie, mehrere tausend Männer; in den übrigen Höfen und in den Gärten noch mehr.
    Das Murmeln, Raunen, Seufzen endete plötzlich, als Gestalten zwischen den Säulen vor dem Thronsaal erschienen. Hetairen, in voller Rüstung, bildeten rechts und links des Eingangs Reihen. Wie die anderen stand Nearchos auf; irgendwo hörte er Männer schluchzen.
    Die angesehensten der in Asien weilenden Männer des Heers erschienen: Perdikkas, rechts von ihm Ptolemaios, links Lysimachos. Sie hatten Rüstungen angelegt, trugen aber keine Helme. Lysimachos hielt auf den ausgestreckten Armen ein Kissen mit der Doppelkrone der Pharaonen. Ptolemaios trug Krummstab und Dreschflegel. Perdikkas hielt mit beiden Händen das große Schwert der makedonischen Könige. Vom Schwertgriff hing das Diadem der Achaimeniden.
    Perdikkas blieb auf der obersten Stufe zum Hof stehen. Er starrte auf den Boden, nickte und rammte das Schwert in die Fuge zwischen zwei Quadern. Es schwankte, bebte, verhielt.
    Der Chiliarch trat einen kleinen Schritt zurück, betrachtete wie blind das Schwert, hob den Blick, sah den übervollen Hof, die unzähligen Köpfe. Dann reckte er die Arme, mit geballten Fäusten, stieß einen langen, qualvollen Schrei aus und wandte das tränenüberströmte Gesicht zum Himmel.
    Niemand spürte die ersten dicken Tropfen.

    »Und nun zerfleischen sie einander und die Oikumene«, sagte Peukestas dumpf. Er hatte die Rolle fallen lassen und die Hände vor die Augen gelegt. »Perdikkas, Krateros, Antipatros, Lysimachos, Antigonos, Eumenes, Ptolemaios, Seleukos, Kassandros, Leonnatos ... Wenn nicht du den einen Brief hast, von Alexanders eigener Hand, Aristoteles. Vielleicht... vielleicht halten sie sich nicht daran. Aber vielleicht kannst du alles retten.«
    Er hörte ein Knirschen und Ächzen, ein Schluchzen von Pythias. Er wischte sich die Augen, ließ die Hände sinken und schaute zum Lager. Dann sprang er auf, kniete neben der Tochter des Philosophen, die den Sterbenden zu stützen versuchte.
    Aristoteles hatte sich aufgesetzt, aufzusetzen versucht. Seine Augen waren riesig; und fern.
    »Retten?« Er keuchte, krächzte; der Atem kam und ging in flachen, schnellen Stößen. »Was retten? Mord und mehr Mord? Die Barbaren? Den Plan des Kurush? ... Mondwind. Mein Freund Parmenion. Salz, Freunde, Salz.« Er rang nach Luft, hob den rechten Arm, deutete auf irgend etwas, das nicht im Raum war. »Der Plan, der Plan ... Er hat es durchschaut, Alexander hat es hat alles gewußt hat er es und durchkreuzt hah – – – Er hat ihn erfüllt. Den Plan. Erfüllt. Vollendet. Barbarische Finsternis. Nach Ammon ... nach Ammon kommt der Herr der Fische... Fische. Salz. Fische. Ein Gott aus Asien wird Kniefall verlangen wird Hellas überfluten mit wirren Geboten mit wüster Tyrannis wird logos zersetzen Altäre errichten in alles hineinreden Speisen und Kalender und Beischlaf und Gedanken er er er hat die Wälle niedergerissen und ich soll... retten?«
    Pythias weinte. Peukestas faßte nach dem Arm des Sterbenden. »Gibt es den Brief?« schrie er. »Gibt es den Brief?«
    Aristoteles’ Gesicht verzerrte sich. »Der gleißende Mittag, das gnadenlose Licht«, sagte er. Die Stimme klang voll, klar, herrisch.
    Eine winzige Schaumblase auf der Lippe. Die Augen zuckten und brachen. Aristoteles starb, das Gefäß der Vernunft barst. Er reckte sich noch einmal

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