Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
ritt am Flußufer entlang, rief Offizieren und einzelnen Männern irgend etwas zu, glänzte in seiner vergoldeten Rüstung, mit dem weißgeschmückten Helm. Kallisthenes hörte nur Fetzen, etwas wie »gründlich gewaschen« und »persische Bärte« und »empfindsame Nasen Asiens«, dann hörte er das nach beiden Seiten wie Buschfeuer auflodernde Gelächter und bildete sich ein, ungläubige Gesichter auf dem anderen Ufer zu sehen, aber das war zu weit fort. In den Hügeln, rechts, griffen plötzlich leichte Reiter die persischen Vortrupps an, wie beiläufig, so, als habe es nichts mit der Welt, dem Nachmittag und dem Ort zu tun. Alexander und seine Begleiter – Hephaistion war dabei, Ptolemaios der Lagide, Leonnatos, dann verschwanden sie unsichtbar hinter den massierten Kämpfern – ritten vor die Ilen der Hetairenreiter. Die persischen Bogenschützen am anderen Ufer schossen immer wieder Pfeile über den Fluß, in hohem Bogen, als wollten sie prüfen, wie weit die Geschosse flogen. Der Wind hatte sich gelegt; einen beklemmenden Moment lang war in der tiefen Stille des Spätnachmittags nichts zu hören als das milde Rauschen des Pinaros sowie hier und da ein metallisches Schrappen, ein Schnauben, eine Ahnung von Gemurmel. Gleich, dachte er, würden, müßten, sollten sich die Heere langsam aufzulösen beginnen, hinter den Schirmen der Leichtbewaffneten ins Nachtlager ziehen, sich gegen den Morgen und das Gemetzel festigen.
Ein Erdbeben, eine Springflut, ein Sturm; das gräßliche Allallallei der Makedonen, dann wieder unglaubliche Stille, kein Kampfgeschrei nach dem Gebrüll. Schweigend – nur Keuchen und vereinzeltes Gewieher – rasten die schweren hetairoi, die Besten der Besten, in den flachen Fluß, aus dem Stand, ohne die geringste Andeutung; der Keil bildete sich, mit Alexander und Hephaistion an der Spitze, verschwand einen Augenblick hinter aufspritzendem Wasser, war an Land, am Nordufer, galoppierte nicht mehr geradeaus, sondern nach links: der schräge Angriffskeil, der nicht auf die Kardaker, nicht auf die hellenischen Söldner, sondern unmittelbar auf Dareios und seine Unsterblichen zielte, während die persischen Bogenschützen taumelnd, niedergeritten, zersprengt zurückströmten und die ersten Reihen der Hellenen und Kardaker behelligten und verwirrten. Mit wahnsinniger Geschwindigkeit, dabei lautlos wie ein gespenstischer Traum, näherte sich der Keil dem Mittelpunkt der persischen Stellung, wo die Kampfwagen und die goldenen Rüstungen glänzten.
Sechs, sieben, acht Atemzüge lang regte sich nichts außer den Hetairenreitern und dem zerfetzten Vorhang der Bogenschützen. Alles schien gelähmt, gefroren, fassungslos, unfähig zu einer Bewegung. Endlich, wie Schleppnetze an langen Tauen, folgten die Hypaspisten und die beiden rechten Phalanxabteilungen den Hetairenreitern.
Dann ging die Welt unter. Kallisthenes, der feinsinnige Hellene, kühler Beobachter barbarischer Vorgänge, verlor alles Gefühl für Zeit und Abläufe; er war nur ein schreiender Teil des Chaos. Später, in den nächsten Tagen, als er und seine Schreiber zusammen mit denen des Eumenes Offiziere und Kämpfer befragten, die Listen der Gefallenen aufstellten und sich bei Gefangenen umhörten, gewann er eine Art Überblick: der kühle Vorstoß der hellenischen Söldner Persiens gegen die schwächste Stelle der makedonischen Reihen, dort, wo der stürmende rechte Flügel und der abwehrende linke auseinanderzureißen drohten; Parmenion der Amboß, der die Schläge der Reiter und Fußkämpfer auf sich zog, damit der Pfeil Alexander zum Herzen des Großkönigs fliegen konnte; der Zusammenbruch der Kerntruppen, der Unsterblichen um Dareios, unter der unfaßbaren Wucht des Angriffs der Hetairen, die Flucht des Großkönigs, der in den Hügeln vom Wagen sprang, Schild und Mantel und alles andere abwarf, um auf einem Pferd mit wenigen Begleitern entkommen zu können; die Verfolgung der Fliehenden, abgebrochen, um Parmenions bedrängte Einheiten herauszuhauen; die Dunkelheit, die die Trümmer des riesigen Perserheers vor der völligen Vernichtung rettete ...
Auf Beschluß der Offiziere war Kallisthenes zusammen mit dem Königsknaben Peukestas, Drakons Sohn, abgestellt worden, um Alexanders Zelt zu hüten und den König abzufangen, während die anderen das Fest und die Überraschung vorbereiteten.
»Du bist ohnehin zu nützlichen Arbeiten nicht zu gebrauchen, Hellene«, sagte Demaratos.
Rechts und links des Flusses brannten tausend
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