Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
südlichen Paß nach Damaskos und nehmen ihm die Stadt, den Troß und den Schatz. Dann liegt Phönikien vor uns, die wichtigen Häfen, die ihre Schiffe sofort zurückrufen müßten. Dann, spätestens, muß Dareios sich auf uns stürzen – zu unseren Bedingungen.«
Auf dem Marsch ging der Herbst zumindest für ein paar Tage in Winter über. Eisiger Wind aus dem Inneren Asiens fegte über die Küstenberge, zwanzig Stunden peitschenden Regens machten die Wege tief und mühsam. Kallisthenes hatte den Lederumhang eng um sich gezogen, überließ es seinem Pferd, den Tieren der Offiziere zu folgen, und begrübelte halb dösend das, was ihn am meisten fesselte: die feine Seele des Kallisthenes, der mit makedonischen Barbaren durch asiatischen Dreck zog, statt sich mit guten Freunden hellenischen Geistes zu erbauen und feinsinnige Schriften feinsinniger Verfasser über feinsinnige Charaktere zu lesen.
Der Regen hörte auf, als sie Myriandros erreichten, eine weitere nebensächliche Stadt an der nebensächlichen Küste. Es war später Nachmittag; Alexander ließ oberhalb der Stadt in der Flußebene das Lager aufschlagen und ritt hin und her, um die erschöpften, verdreckten Kämpfer aufzumuntern und mit den Führern zu sprechen. Kallisthenes begleitete ihn ein kleines Stück des Wegs, bis zur Taxis des Krateros, wo der König, ebenso verschlammt wie seine Männer, vom Rücken des lehmbeschmierten Bukephalos aus eine kurze Rede hielt.
»Ihr seht aus wie ... ich.« Gelächter. »Allesamt gut ausgeruht, gesund und von Schlammbädern erfrischt, was? Ich hoffe, der Wind dreht wieder auf und weht dann vom Meer, damit er unseren köstlichen Duft nach Asien hineinweht. Freunde – ihr werdet euch gleich waschen. Ich selbst habe dafür gesorgt, daß hier ein Fluß fließe, wo gestern keiner war; all dies tat ich in meiner königlichen Milde und Besorgnis um euer aller Wohl, und eure Reinlichkeit. Waschen werdet ihr euch, ihr Drecksäue, bis euer Glanz die eulenäugige Pallas im fernen Athen blendet. Und rasiert euch, Jungs. In ein paar Tagen wollen wir den Persern die Bärte zausen; dann wünsche ich, daß ihr alle glatte Wangen habt, damit sie euch nicht an den Stoppeln festhalten können. Männer, ihr stinkt – los, ins Wasser mit euch!«
Kopfschüttelnd, mit einem verkniffenen Grinsen ritt Kallisthenes wieder flußab. Hinter sich hörte er das Lachen und Kichern und Tuscheln verebben; durch die Magie seiner Person und seiner Rede hatte Alexander die Müdigkeit beseitigt, die Erschöpfung nach dem langen Marsch, nach Morast und Dreck aufgehoben. Der Hellene beschloß, sich zu reinigen. Er ließ sein Pferd bei den Schreibern und Sklaven zurück und machte sich zu Fuß auf den Weg in den Ort.
Myriandros mochte 4000 Einwohner zählen – Bauern, Fischer, Handwerker, ein paar Händler, ein Dutzend Schänken. Außerhalb der lückenhaften, lange nicht instand gesetzten Mauern (die Besatzung aus Persern und phönikischen Söldnern war geflohen) gab es einen größeren Karawanenhof, und insgesamt war alles so grau und öde wie die Abenddämmerung: ein allmähliches Verfinstern der Wolken, keinerlei Sonne zu sehen, kein Untergang. Am Strand – einen Hafen gab es nicht – lagen zahlreiche kleine Boote, weiter entfernt ankerten ein paar größere Schiffe. Von weitem sah er Demaratos, der auf einem umgedrehten Kahn hockte, Holzwürmer zählte und Sand ins Wasser warf.
In einer der Schänken fand Kallisthenes ein halbwegs reinliches Zimmer mit einem Bett und Decken, die nicht erst ausgeräuchert werden mußten; der Wirt – halb Assyrer, halb Phöniker – besorgte eine halbwegs reinliche Dirne, die dem Hellenen bei der Entspannung behilflich war; später aß Kallisthenes im Schankraum einen Napf mit verschiedenen, gut gewürzten Fleisch- und Gemüsearten und betrank sich dann mit einem kretischen Händler, der den großen hellenischen Aufstand, die Besetzung Kretas durch die Spartaner und den baldigen Untergang des makedonischen Heers vorhersagte.
Kallisthenes schlief bis in den Vormittag, frühstückte ausgiebig und ließ sich nicht durch Anzeichen von Unruhe im Ort und außerhalb stören. Als er am frühen Nachmittag wieder hinausging ins Lager, fand er dort nur noch einen seiner Schreiber, zwei Sklaven und die zugehörigen Reittiere vor. Das Heer war verschwunden.
Auf dem Ritt hinter den nach Norden gezogenen Truppen her berichtete der Schreiber, morgens sei eines der Aufklärungsschiffe am Strand von Myriandros eingetroffen. Das
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