Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache
Süße. Es sorgte bei Anfängern regelmäßig dafür, dass ihnen die Pizza vom Vorabend wieder hochkam.
»Bah«, murmelte einer der SEK -Männer, dem Schweißperlen auf der Stirn standen. Er zog seinen Helm ab und sah darunter wie frisch geduscht und nicht abgetrocknet aus.
Möglicherweise war Siemer ebenfalls gerade aus der Dusche gekrochen, bevor er sich auf seinem Bett niedergelassen hatte. Vielleicht wollte er aber auch gerade ein Nümmerchen mit einem minderjährigen Freier vom Bahnhof schieben. Zumindest lag er splitternackt auf der Decke, umgeben von Bergen stinkender Wäsche. In seiner Stirn steckte ein Fleischermesser, das bis zum Heft durch den Knochen gerammt worden war. Schwarzes und dick verkrustetes Blut bedeckte das Gesicht wie ein Film aus Teer. Auf dem wackligen Nachttisch lag eine Geldbörse, die offensichtlich durchwühlt worden war.
»Ach, du Scheiße«, nuschelte der dicke Polizist und schüttelte den Kopf. »Mann, und der Typ war mal ein Kollege von uns. Wie tief kann man sinken.«
»Tiefer, als du dir vorstellen kannst.« Reineking kämpfte gegen den Würgereiz, indem er sich vorstellte, wie ein Parfümeur inmitten einer blühenden Kamillewiese Kübel voll flüssiger Minze in mit purem Menthol gefüllte Bottiche zu gießen und dabei an frischen Piniennadeln zu schnuppern.
Reineking zeigte auf zwei ausgeleierte Fächer des Portemonnaies und auf einige wenige Karten, die noch darinsteckten, darunter ein Mitgliedsausweis von Ikea Family. »Keine Kreditkarte, keine EC-Karte, kein Bargeld. Die Krankenversicherungskarte ist aber noch da. Mit der würde jeder Junkie sofort zum Arzt laufen und sich was besorgen. Hm.«
»Die Medikamente hat er ebenfalls dagelassen, und durchgewühlte Schubladen habe ich in dem Saustall bislang nicht gesehen. Also, für einen reinen Kreditkartenraub ist mir das eine Spur zu heftig«, sagte der schlankere Beamte, der auf der anderen Seite des Bettes stand. Er hatte sich einen Latex-Handschuh übergezogen und hielt eine weiße Verpackung hoch. Eine Art pinkfarbene Schlange war als kleines Logo darauf abgebildet.
»C- 12 «, murmelte der Mann. »Noch nie gehört. Und ’nem Typen ein Messer in den Kopf zu rammen, finde ich auch etwas … Na ja, der hätte es auch einfacher haben können. Es sieht so aus, als habe der Mörder ihm das Messer mit einem Hieb in den Kopf gerammt. Das braucht gewaltige Kraft. Der musste schon hart drauf sein, Junge, Junge. Na ja, dann rufen wir mal den Onkel Doktor und die Spusi an.«
Reineking rieb sich das Kinn. C- 12 hatte der Kollege gesagt? War das nicht diese Anti-Angst-Droge, von der die Kriminalpsychologin beim letzten Meeting gesprochen hatte? Irgendetwas klingelte da in seinem Kopf. Er zog eine kleine Canon Ixus aus der Jackett-Tasche, dachte kurz an die Schnappschüsse, die er früher damit gemacht hatte, als es noch eine Familie Reineking gegeben hatte, schaltete sie ein und machte eine Aufnahme von der Verpackung, um sie später Alex zu zeigen. »Ich habe das Gefühl, dass das hier nur aussehen soll wie ein Raubmord«, erklärte er nachdenklich und ließ den Blick über die Leiche wandern. »Der ist regelrecht hingerichtet worden. Der hat sich ja noch nicht mal gewehrt. Keinerlei Kampfspuren zu sehen, und hier«, Reineking deutete auf die blanken Arme und Handgelenke der Leiche, »keine Abwehrspuren, nichts.«
Die Frage war, warum Siemer aus dem Verkehr gezogen worden war und ob Roman König den Job erledigt hatte. Reineking schürzte die Lippen und betrachtete den Toten. Klar war nun in jedem Fall, dass Siemer eine Rolle in dem ganzen Szenario gespielt haben musste und Alex mit dieser Einschätzung richtiggelegen hatte. Und zum anderen bedeutete der offensichtliche Mord, dass ein gewisser Reporter, der mit Siemer in der Vergangenheit auf sehr persönliche Art und Weise etwas zu tun gehabt und im Getränkemarkt eine beeindruckende Wutshow hingelegt hatte, als Tatverdächtiger immer interessanter wurde.
Reineking griff nach dem Handy. Marcus würde nicht erfreut sein.
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38 .
M arlon?«
Alex hockte etwa drei Meter vor dem Ausgang, die Pistole nach vorne ausgestreckt, und lauschte. Mit dem Steiff-Tier unter dem Arm musste sie ein denkbar blödes Bild abgeben. Aber unter den gegebenen Umständen kam es darauf nicht an.
»Ja?« Seine Antwort kam irgendwo von der Seite. Natürlich. Er würde neben dem Ausgang mit einem Baseballschläger oder einem Messer auf sie warten.
»Wo sind Sie?« Alex versuchte, mit ruhiger
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