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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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ging sie zu dem Boot. Das weiße Fiberglas war an einigen Stellen rostrot verschmiert, ein Bootshaken ebenfalls. Das erklärte das Blut an den Fesseln der Frau: Der Mörder musste sie mit dem Haken aus dem Wasser gefischt haben. Alex schauderte. Auf dem Boden des Bootes befanden sich blutige Abdrücke – verwischte kleine, die von bloßen Füßen zu stammen schienen. Und welche, die ein geriffeltes Muster aufwiesen.
    Große Turnschuhe, wenigstens Größe 46 . Clownsschuhe.
    Auf dem Steg und vor dem steinernen Eingang, der in den Überlauf führte, waren weitere Blutspuren. Schlieren auf den Brettern, nahe des Eingangs Pfützen auf welken Blättern. Alex kniete sich hin und betrachtete die bereits angetrocknete Masse. Der Täter musste Viviane vom Boot aus hierhergeschleift haben. Darauf wiesen auch Furchen auf dem Waldboden hin. Ein Kampf hatte hier nicht mehr stattgefunden – das Opfer musste bereits bewusstlos oder betäubt gewesen sein. Alex sah in die gähnende Schwärze des Tunnels hinein.
    »Meinen Sie«, fragte Marlon, »sie ist vielleicht da drin?«
    »Ich weiß nicht. Aber wir werden nachsehen müssen.«
    Marlon schüttelte den Kopf. »Ich geh da nicht rein. Auf gar keinen Fall. Das mache ich nicht. Damit habe ich ein Problem …«
    Alex presste die Lippen aufeinander und griff zu ihrer Handtasche, aus der sie das Handy hervorholte und die Kurzwahltaste für Marcus’ Nummer drückte. Wenn Kowarsch schon nicht dranging, dann hoffentlich er.
    »Was wird das jetzt?«, fragte Marlon und legte den Kopf schief.
    »Wonach sieht es denn wohl aus?«, zischte Alex und wartete auf ein Signal. Aber die Leitung blieb tot.
    »Wird jetzt die Kavallerie verständigt? Ich sage Ihnen was«, blaffte Kraft und ging aufgeregt im Kreis, »die werden uns hier auch nicht weiterhelfen – entweder Viviane steckt dort drin oder nicht. Vielleicht lebt sie auch noch, und bis hier jemand eintrifft, ist sie verblutet.«
    Benji. Benji, auch du bist verblutet, weil ich dir nicht helfen konnte …
    Eine eiskalte Faust schien sich um Alex’ Herz zu klammern. Ja, es war nicht auszuschließen, dass Viviane noch lebte, falls sie sich in dem Tunnel befand.
    »Davon abgesehen, werden Sie hier oben keinen Empfang haben«, redete Kraft weiter auf Alex ein.
    Alex nahm das Handy vom Ohr und starrte auf das Display. Neben dem kleinen Antennensymbol, wo sonst eine Balkenanzeige die Empfangsqualität darstellte, war nur eine leere Fläche zu sehen. Trotzdem probierte sie es noch einmal und wählte nun die Mobilnummer von Reineking. Nichts geschah. Sie hörte nur leises Rauschen.
    »Sehen Sie? Hier oben geht nichts«, dozierte Kraft und wedelte mit seinem eigenen Telefon herum. »Schnittstelle. Sich überlagernde Sendegebiete, dazwischen weiße Flecken. Wenn Sie mal die Zeitung lesen würden, hätten Sie neulich einen Kommentar von mir darüber lesen können. Hier oben stand mal eine Radarstation der britischen Rheinarmee, daran liegt das. Die haben es nicht zugelassen, dass hier andere Frequenzen rumfunken, und seither hat sich niemand drum gekümmert. Wir müssten aus dem Waldgebiet wieder raus, aber die Zeit haben wir nicht.«
    Also kein Kowarsch, kein Marcus, kein Reineking. Sie war auf sich allein gestellt. Großartig. Alex steckte das nutzlose Handy zurück in die Tasche. Falls es nur den Hauch einer Chance gab, dass in dem Gang ein Opfer versteckt war und womöglich noch lebte – würde sie damit leben können, dass es womöglich ihrer Untätigkeit wegen starb? So wie Benji? Es gab nur eine Antwort darauf. Niemand würde jemals wieder sterben müssen, bloß weil sie nicht helfen konnte.
    »Also gut«, sagte Alex leise, »sehen wir nach.«
    Kraft wischte sich über die Lippen und schüttelte den Kopf, während er weiter im Kreis marschierte. »Ich kann da nicht rein«, sagte er mit bebender Stimme und zeigte auf den Eingang. »Keine Chance, ich komme keine zwei Meter weit, dann verfalle ich in eine Starre oder drehe auf der Stelle durch oder …«
    »Sch«, winkte Alex ab, »davon hat auch niemand gesprochen. Ich mache das.«
    Mache ich das? Mache ich das wirklich? Bin ich irre?
    Marlon trat von einem Bein auf das andere. »Vielleicht ist sie aber auch gar nicht da drin.«
    Alex drehte sich zu ihm um. »Warum?«
    Er zuckte mit den Schultern. »So ein Gefühl. Vielleicht aber auch doch. Vielleicht …« Kraft raufte sich die Haare und fluchte.
    »Marlon, jetzt reißen Sie sich zusammen«, sagte Alex, um Fassung bemüht. »Wir werden es

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