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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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war in der mit Wasser halbvoll gelaufenen Wanne, und Alex hatte keinen Zweifel daran, dass es sich bei der Toten um Viviane Rückert handelte. Sie trug einen Bikini – den Bikini, den Alex auf Marlons Handy-Video gesehen hatte. Ihre Leiche war mit den Füßen am oberen Ende einer Duschstange festgeknotet worden. Der Oberkörper hing herab. Er verschwand am Brustansatz im Wasser, das sich vom Blut des Opfers tiefrot eingefärbt hatte. Die Bauchhöhle war wie bei den anderen Frauen mit einem scharfen Schnitt geöffnet worden, und aus der klaffenden Wunde hingen die Gedärme heraus. Alex massierte sich die verkrampften Hände, während ihre Blicke weiter über den Körper glitten und nach Hinweisen suchten. Wie ein eiskalter Blitz zuckte es durch ihre Nervenbahnen, als sie erkannte, wie Viviane Rückert mit den Füßen an der Duschstange festgebunden worden war. Die Stricke an den Fesseln waren durch Öffnungen in dem durchstochenen Fleisch zwischen Achillessehne und Knöchel gezogen worden. Alex erinnerte sich an die Großaufnahmen in dem Video auf Marlons Handy. Dort waren die Wunden zu erkennen gewesen. Und jetzt ergab auch die Sache mit dem blutigen Bootshaken auf der Jolle einen Sinn – der Mörder hatte ihr damit die Fersen durchstochen, sie wie einen Thunfisch aus dem Wasser oder vom Boot aus zu dem Eingang des alten Wehres gezogen. Die Erkenntnis ließ Alex schwindeln. Bei den Stricken schien es sich um die gleichen zu handeln, die auch an den übrigen Tatorten gefunden worden waren.
    Anders als im Keller des
Buffalo
fehlten Blutspritzer an den Wänden oder an der Decke: Die weißen Kacheln des Badezimmers wiesen zwar den einen oder anderen Stockflecken auf, aber auf den ersten Blick keine weiteren Spuren. Wahrscheinlich hatte das Herz des Opfers bereits aufgehört zu schlagen, bevor der lange Schnitt gesetzt worden war. Und was außerdem zu fehlen schien, war das obligatorische Tiersymbol. Wenn der Täter es bei dem Stofftiger belassen wollte, den sie fernab dieses Ortes gefunden hatte, musste das etwas bedeuten. Ein Abweichen von dem Schema, das bislang einem strengen Ritual gefolgt war. Es hatte stets ein Zeichen in direktem räumlichem Zusammenhang mit dem Opfer gegeben. Der Tiger – er erschien Alex nun eher wie eine Ankündigung, wonach sie hatte suchen müssen. Was war an der Reihe? Begann der Killer, mit der Polizei zu spielen?
    »Was sagst du?«, riss Marcus Alex aus den Gedanken.
    »Er hat sie hier getötet«, antwortete Alex knapp. »Er hat sie kopfüber aufgehängt und dann ertrinken lassen.«
    Marcus rieb sich mit Daumen und Zeigefinger die Augen. Die Adern an den Schläfen pochten und krochen wie Schlangen unter der straff gespannten Haut in Richtung Stirn.
    »Mein Gott«, flüsterte er. »Es ist wie in einem Alptraum. Ich kann es nicht fassen, dass Marlon, mein alter Freund Marlon …« Marcus schüttelte ungläubig den Kopf.
    Alex starrte auf die Leiche und wandte sich dann zu Marcus. »Ich glaube nach wie vor nicht, dass er es ist.«
    »Und ich«, seufzte Marcus, »ich
hoffe,
dass er es nicht ist und dass ich mich irre. Aber wir müssen uns an die Indizien halten, und wir müssen es stoppen. Alles, aber auch alles spricht gegen Marlon.«
    »Aber …«
    »Nein, kein Aber, Alex. Wir müssen uns an das halten, was ist, verstehst du? An das hier.« Marcus deutete mit dem Finger auf die Leiche. »Das ist der Job. Tatsachen. Greifbares. Im Augenblick werden wir erschlagen davon, die Anhaltspunkte werden uns geradezu auf einem Silbertablett serviert. Und doch läuft mir die Zeit davon, Alex. Das alles geschieht so schnell, dass wir kaum hinterherkommen, und du glaubst nicht, wer mir alles im Nacken sitzt und Ergebnisse fordert …«
    Zeit. Welche Rolle spielt die Zeit? Warum spielt sie eine Rolle?
    »Wenn du dich ausschließlich an das hältst, was du siehst und was wir an Indizien vorliegen haben«, fuhr Marcus fort, »wen siehst du dann?«
    Alex trat von einem Fuß auf den anderen. Auf diese Frage gab es nur eine Antwort. »Marlon Kraft«, sagte sie trotzig.
    Marcus nickte. »Den sehe ich auch. Alles deutet darauf hin.« Marcus seufzte. »Alex, ich brauche ein vorläufiges Gutachten darüber bis morgen auf meinem Schreibtisch.« Er versenkte die Hände in den Hosentaschen. »Ein vorläufiges Profil. Der Staatsanwalt muss es haben, ich brauche das für die Chefabteilung, den Landrat und alle. Sie wollen Resultate. Etwas, woran sie sich der Öffentlichkeit gegenüber festhalten

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