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Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache

Titel: Alexandra von Stietencron Bd. 1 - Purpurdrache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Koch
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Desaster, der Mähdrescher hatte alles verwüstet. Ein Alptraum für die Spurensicherung und zudem kein angenehmer Anblick so kurz vor dem Mittagessen. In der Kantine stand Schweinebraten auf dem Speiseplan, und Alex hatte sich deswegen schon am Morgen dafür entschieden, wieder zum Italiener zu gehen und Rucola mit Parmesan zu bestellen. So wie gestern, vorgestern, letzte Woche und die beiden davor – kurz: seit sie den Job angetreten hatte. Der Kellner Angelo grinste schon, wenn er sie erblickte. Wahrscheinlich würden sie den Salat bald nach ihr benennen: »Rucola di Alessandra«. Klang nicht schlecht. Immer noch besser als »Haxe mit Pampe à la Gräfin von Stietencron«. Aber wie es aussah, würde der Parmesan warten müssen.
    Alex schob sich die Sonnenbrille in die langen schwarzen Haare, die sie zum Zopf zusammengebunden trug, kniete sich hin und zerrieb einige Ähren zwischen den Fingern. Sie rochen intensiv und waren dunkel verfärbt. Die Spurensicherung hatte das Feld mit dem Kornkreis weiträumig abgesperrt. Männer in weißen faserfreien Overalls vermaßen das Areal rund um den Mähdrescher. Jemand machte Fotos, und gerade rollte ein Leichenwagen über die schmale Straße an den vielen Polizei-Bullis und Kombis entlang, die links und rechts des Weges parkten. Neben dem schwarzen BMW , mit dem Alex und Marcus hierhergefahren waren, stand Marcus und unterhielt sich mit diesem unsympathischen Reineking, der das Büro neben ihr hatte. Er war mit seinem Wagen in den Graben gefahren und suchte nun nach jemandem, der ihn wieder rausziehen würde. Vermutlich wies Marcus ihn gerade energisch darauf hin, dass es im Moment andere Probleme gäbe als einen Kripo-Beamten mit Tomaten auf den Augen.
    Landwirt Kröger hatten sie vom Notarzt ins Krankenhaus fahren lassen. Der Mann stand unter Schock, und auch fünf Milliliter Diazepam hatten ihn nicht so weit beruhigt, dass er zu einer koordinierten Aussage fähig gewesen wäre. Angesichts des Mähdreschers, der aussah, als sei er auf groteske Weise für den Einsatz in einem Horrorfilm präpariert worden, war Alex die Krisenintervention von vornherein absurd erschienen.
    Die Faktenlage bislang war klar: Kröger war mit seinem Mähdrescher über eine Frauenleiche gefahren, die in dem Kornfeldkreis gelegen hatte. Dabei war sie teilweise zerstückelt worden. Ob die Frau eine Selbstmörderin war oder ein Tötungsdelikt vorlag, würde die Obduktion ergeben. Vorher war an eine Identifizierung nicht zu denken, so schrecklich war die Leiche von den scharfen Häckselmessern des Mähdreschers zugerichtet worden. Der Notarzt hatte gemeint, die Frau müsse schon einige Stunden tot gewesen sein. Starre Gliedmaßen, Konsistenz des überall verteilten Blutes, Farbe der Haut und Flecken – Alex kannte die Parameter und hatte wissend genickt, um den Anschein zu erwecken, dass das nicht die erste Leiche war, die sie außerhalb der Pathologie in Augenschein nahm. Einige Kollegen warteten nur darauf, dass sie sich übergeben müsste, aber sie hatte nicht vor, ihnen die kotzende »Psychotante« oder die brechende »Durchlaucht« zu geben, um bei den dämlichen Spitznamen zu bleiben, die sie bei den Kollegen weghatte.
    Die schwüle Luft hatte einen zarten Schweißfilm auf Alex’ Haut gezaubert. Die helle Bluse klebte ihr am Körper. Sie riss eine weitere Ähre ab und pulte die Körner heraus. Der Leichenwagen war zum Stehen gekommen. In Kürze würden die Bestatter mit ihren schwarzen Kunststoffsäcken ausrücken. Vielleicht sollte sie noch einen Blick auf die Tote werfen. Außerdem interessierte sie, ob die Spurensicherung bereits etwas gefunden hatte. Sie stand auf und schritt durch den Kornkreis auf den Mähdrescher zu.
    Irgendetwas, das hatte sie bereits kurz nach dem Eintreffen zu Marcus gesagt, stimmte an diesem Ort nicht. Marcus hatte ihr zugestimmt. Gewiss, es hatte immer wieder Berichte über merkwürdige Kreise in Kornfeldern gegeben. Eine Zeitlang war behauptet worden, es handele sich um Zeichen von Außerirdischen. Doch letztlich hatte sich jedes Mal herausgestellt, dass Spaßvögel nachts mit viel Phantasie und zum Teil außerordentlicher Kunstfertigkeit diese Kreise geschaffen hatten. Das Rund in diesem Kornfeld maß etwa fünfzehn Meter im Durchmesser. Es war ein schlichter Kreis ohne kunstvolle Ausläufer und Schnörkel. Die Ähren waren im Uhrzeigersinn auf den Boden gedrückt worden, und je näher es auf den Mittelpunkt zuging, desto enger schien die Rotation zu werden,

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